Lausitzer Rundschau: Zur Kanzler-Frage in der SPD
Was wirklich mutig wäre
Cottbus (ots)
Es ist zehn Tage her, da wurde der SPD selbst von ihren Gegnern zumindest eines bescheinigt: der Mut, sich dem Wähler zu stellen mit allen Konsequenzen. Fast schien es, als könne ein frisches Lüftchen durch die Republik wehen, als könne tatsächlich etwas wie Neuanfang gewagt werden. Doch während die CDU mit ihrer gerade gekürten Kanzlerkandidatin tatsächlich mit geblähten Segeln auf geradem Kurs in Richtung Wahlsieg steuert, herrscht bei der SPD schon wieder Windstille. Die Taktiker grübeln, wie man an einem Tag dem Kanzler das Vertrauen entziehen, am nächsten Tag mit ihm in den Wahlkampf ziehen kann. Mögliche Kurskorrekturen werden schon vorab zerredet denn was Kapitän Schröder auf den Weg gebracht hat, kann Kandidat Schröder schlecht wieder zurücknehmen. Verzagtheit also macht sich breit denn bei allem Mut, den Weg für Neuwahlen freizumachen, ist Schröder deutlich zu kurz gesprungen. Eine wirkliche und wirklich neue Wahl hätten die Menschen nur dann gehabt, wenn auch ein neuer Kandidat den trägen Tanker SPD wieder flott gemacht hätte. Mit Matthias Platzeck hätte es einen solchen Mann sogar gegeben. Ein neues Gesicht aus dem Osten wie Angela Merkel. Sympathieträger, zumindest bei den Frauen noch beliebter als Gerhard Schröder. Und durch seine Medienpräsenz als Bundesratspräsident auch im Westen hinreichend bekannt. Mit ihm hätte also aus dem lauen Aufbruchs-Lüftchen ein kräftiger Wind werden können. Doch auch hier hoben die Taktiker warnend die Hände zu viel Wagnis. Verlöre Platzeck, wäre er auf Dauer beschädigt und wer überhaupt könne denn in Brandenburg seinen Platz einnehmen. Alles wichtige Fragen für parteiinterne Was-wäre-wenn-Theoretiker. Den Menschen in Deutschland sind diese Fragen gelinde gesagt völlig egal sie wollen, wenn sie schon wählen können, eine wirkliche Wahl haben. Denn im September wird nicht über die Zukunft einer Partei entschieden es geht um das, was das Leben, den Alltag und die Chancen von 80 Millionen Menschen ausmacht. Jenseits aller Taktiken.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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