Lausitzer Rundschau: zu: Angela Merkels erste Regierungserklärung
Cottbus (ots)
Angela Merkel ist nicht der Typ Politikerin, die mitreißend redet. Wenn die Kanzlerin versucht, Zuversicht zu vermitteln, die zweiten Gründerjahre auszurufen oder auf Willy Brandts Spuren mehr Freiheit wagen will, hört sich das an wie frisch veröffentlicht im Bundesgesetzblatt. So ist Merkel. Selbstsicher, unaufgeregt hat sie ihre erste Regierungserklärung zweifellos über die Bühne gebracht. Aber nicht mit Esprit oder Leidenschaft. Mag sein, dass die Entführung einer Deutschen im Irak die Töne deutlich gedämpft hat. Aber Aufbruch, und das ist des Pudels Kern, hat für die Naturwissenschaftlerin etwas mit Pragmatismus, mit dem Notwendigen und Machbaren zu tun. Aber reicht dieser buchhalterische Ansatz, um dem gesellschaftlichen Pessimismus endlich die Stirn zu bieten? Die Bundeskanzlerin ist nicht für das gute Gefühl zuständig, natürlich. Angela Merkel will das krisengeschüttelte Land aber führen. Und wer führen will, muss das Land verstehen, muss den Menschen das so wichtige, emotionale Grundvertrauen in Person und Politik vermitteln. Ihr Vorgänger Gerhard Schröder hat das gekonnt, insbesondere, was den Zuspruch zu seiner Person angeht. Im Irak-Konflikt ist ihm sogar übergroße Unterstützung zu seiner Politik gelungen. Angela Merkel ist davon noch weit entfernt. Die erste Regierungserklärung hat vielmehr gezeigt, ihre Kanzlerschaft ist erkämpft, sie beruht auf einem ungewollten, emotionslosen Zweckbündnis. Damit unterscheidet sich die große Koalition fundamental vom rot-grünen Projekt der letzten sieben Jahre. Die Schröder/Fischer-Combo war ein gesellschaftliches Aufbruchsbündnis, getragen von vielen Hoffnungen und Erwartungen. Die große Koalition hingegen wird vor allem begleitet von vielen Ängsten und Befürchtungen. Das ist die heikle Ausgangslage für den Neuanfang unter dieser Kanzlerin; das macht es Merkel aber neben ihrer persönlichen Struktur zusätzlich schwer, perspektivischen Glauben an sich und ihre Politik hin zum Besseren zu vermitteln. Mehr Freiheit will sie wagen, viele wird dies aus Angst vor dem sozialen Abstieg eher irritieren als inspirieren. Sie selbst hat sich die Freiheit genommen, den letzten CDU-Kanzler Helmut Kohl nicht mit einem Wort zu erwähnen, dafür aber zwei SPD-Kanzler. Ein Akt der persönlichen Befreiung. Mehr Freiheit wagen heißt für Merkel aber auch, nicht politisch eingezwängt nach Problemlösungen zu suchen. In einer großen Koalition ist dies wahrlich eine Herkulesaufgabe. Zerstreuen, zumindest abfedern konnte und wollte die neue Kanzlerin die Besorgnisse der Menschen nicht. Ansonsten hätte sich Merkel nicht so deutlich am Koalitionsvertrag abgearbeitet. Für die CDU-Chefin ist das ehrlich. Und ein ziemlich verzagtes Land braucht in der Tat Ehrlichkeit. Aber reicht das?
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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