Lausitzer Rundschau: zu: Der Gasstreit Moskau - Kiew und die Diplomatie
Cottbus (ots)
Dieser Gasstreit zwischen den beiden größten der Nachfolgestaaten der Sowjetunion ist für die direkt Beteiligten eine Auseinandersetzung mit zunächst beschränktem Risiko. Russland braucht derzeit nicht jeden Euro und kann sich auch geringere Erlöse aus einer seiner wichtigsten Rohstoffquellen leisten. Und die Ukraine sitzt zumindest so lange noch an einem mächtigen Hebel, wie das Land die Leitungen für den Brennstoff kontrolliert und sich daraus auch bedient. Eine wirkliche Zuspitzung des Konflikts will keiner der beiden Kontrahenten. Und so sind die Chancen für seine Beilegung auch ganz gut. Es wird insbesondere in Russland auch sehr schnell die Erkenntnis reifen, dass die Verbraucher kurzfristig zwar keine Alternative haben, längerfristig aber nicht bereit sind, für eine unsichere Energiequelle hohe Preise zu bezahlen. Der Nachbarschaftsstreit der früheren Sowjetrepubliken ist allerdings so weit gediehen, dass er zur Einmischung von außen auffordert. Die politische Klasse der beiden Länder signalisiert ihre Unfähigkeit zu einem wechselseitigen Interessensausgleich. Alleingelassen verrennen sich Moskau wie Kiew. Es fehlt an Erfahrung wie auch an Reife für das Nachdenken über dauerhafte Lösungswege. Es fehlt an all dem, was trotz aller Halbheiten die Güte des europäischen Integrationsprozesses ausmacht. Die besteht im Wissen darum, dass Konflikte besser nicht ver- , sondern entschärft werden und natürlich in der strikten Absage an gewalttätige Strategien. Und dieses fehlende Wissen um erfolgreiche Wege zur Beilegung von Streit ist keineswegs auf die Kreml-Autokraten beschränkt. Auch die Führung in Kiew spielt bei diesem Konflikt eine unverantwortliche Rolle in der Hoffnung, der viel bewunderte Volksaufstand der Ukraine möge die Außenwelt milde genug stimmen. Dass jetzt gerade Österreich den EU-Ratsvorsitz übernommen hat, ist eine glückliche Fügung. Denn die Alpenrepublik ist zum einen direkt betroffen und zum anderen auch geübt im Umgang mit dem Osten des Kontinents. Wien kann und sollte jetzt alles in Bewegung setzen, um Hilfen zur Moderation anzubieten. Und die Bundesregierung in Berlin ihrerseits kann beweisen, dass die besonderen Beziehungen zu Russland, an denen der jetzige Außenminister ja selbst fleißig mitgebastelt hat, Früchte tragen. Der Gasstreit ist ja nur die Spitze eines Eisbergs. Es drohen weit größere Gefahren, sollten Drohgebärden zum diplomatischen Alltag werden. Der Osten Europas, zu dem ja auch Teile Russlands gehören, braucht aktive, unterstützende, aber auch drängende, fordernde Nachbarschaft der Völker im Westen des kleinen Kontinents.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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