Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zur Diskussion um das Gefangenenlager Guantánamo: Diplomatie reicht nicht
Cottbus (ots)
Tony Blair bezeichnete Guantánamo gestern in Berlin als Anomalie und fügte hinzu, früher oder später müsse etwas geschehen. Die Kanzlerin nickte. Aber beide enthielten sich diplomatisch konkreter Forderungen an die Bush-Regierung. Anomalie bedeutet Abweichung von der Regel. Es muss wohl eher früher als später etwas geschehen. Denn das amerikanische Gefangenenlager ist die Abweichung von allen Regeln, die sich die zivilisierte Welt gegeben hat. Festnahmen und Verschleppungen auf bloßen Verdacht und unbestimmte Zeit, Behandlung ohne Kontrolle, ohne Verteidiger, ohne Richter. Die USA betrachten sich als im Krieg befindlich. Sie definieren dessen Beginn mit dem 11. September 2001 und handeln nach Kriegsrecht. Sie definieren aber kein Ende des Krieges, keinen Gegner und keinen Ort. Es sei denn, die ganze Welt. So sind auch Europäer unter den Gefangenen. Was auf Kuba geschieht, untergräbt mit jedem Tag mehr die Ziele, die die Allianz gegen den Terror hat und die Werte, die sie verteidigt. Das dämmert langsam auch den Europäern, die nun mit UN- Generalsekretär Kofi Annan einen wichtigen Unterstützer finden. Aber was tun gegen die Weltmacht, die alles so anders empfindet und Einwände so rüde abweist? Die Europäer können nur auf die wachsende Kritik der Amerikaner selbst an Bush setzen. Sie können und müssen diesen Prozess durch klare Worte befördern. Guantánamo ist kein Thema für die Diplomatie. Es ist ein Thema für den Protest.
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