Lausitzer Rundschau: Konzept für einen Kurswechsel in der SPD-Sozialpolitik Platzeck ist zurück
Cottbus (ots)
Der Zeitpunkt hätte kaum günstiger gewählt sein können. Die Unterschichtendebatte bestimmt landauf, landab weiter die politischen Talkrunden, da kommen zwei ostdeutsche Sozialdemokarten daher und schreiben ihrer Partei ins Stammbuch: Schluss mit dem überholten Sozialstaatsmodell bismarckscher Prägung, hin zum vorsorgenden Sozialstaat, der auf stärkere Eigenverantwortung und auf gleiche Bildungschancen für alle setzt. Überhaupt nehmen Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Sachsen-Anhalts Vize-Regierungschef Jens Bullerjan kein Blatt vor den Mund. Sie fahren Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering gehörig in die Parade, für den Armut nicht neu und deshalb offensichtlich hinnehmbar ist. Das Ostgespann hält entgegen, dass es einer volkswirtschaftlichen Verstümmelung gleiche, wenn in Deutschland zehn Prozent aller Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlasse und nur jedes zehnte Arbeiterkind studiere. Der jahrzehntelang praktizierte nachsorgende Sozialstaat - das für Platzeck und Bullerjan überholte und zukunftsuntaugliche Modell - setzt nach dem verpatzten Start ins Arbeitsleben ein. Ihr neuer Ansatz des versorgenden Sozialstaates zielt dagegen auf "hervorragende Bildung für alle" und ist ein Plädoyer für höhere Bildungsinvestitionen. Für das SPD-Ost-Duo bietet sich hier mittelfristig die Chance, den Teufelskreis aus Armut, mangelnder Bildung, schlechten Erwerbschancen, Sozialtransferkarrieren und erneut schlechten Chancen in der nächsten Generation zu durchbrechen. Im Kern hatte Matthias Platzeck diese Sozialstaatsthesen bereits im Frühjahr als SPD-Bundeschef für ein neues Grundssatzprogramm seiner Partei vorgelegt. Wohl wissend, dass der Schalter auf Länderebene nicht so einfach umzulegen ist. Schließlich setzt Platzecks Regierungserklärung in Brandenburg auch zuerst auf Bildung. Dass dafür aber ein gesellschaftlicher Konsens und bundespolitische Entscheidungen notwendig sind, um Finanzen auf den den vorsorgenden Sozialstaat auszurichten, hat er längst erkannt. Sieben Monate nach seinem gesundheitsbedingten Rücktritt als SPD-Chef meldet er sich nun zurück in der Bundespolitik. Ob dies jetzt aus Sorge darum geschieht, dass seine Thesen in der aktuellen Armutsdebatte aufgeweicht und uminterpretiert werden könnten, ist unerheblich. Platzeck, der sich den mitregierenden Bullerjan an seine Seite geholt hat, ist wieder da - und er hat was zu sagen.
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