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Lausitzer Rundschau: Flucht, Vertreibung und Polen Die Frage nach der Schuld

Cottbus (ots)

Es war vorhersehbar, dass es Trittbrettfahrer
geben würde, die das große öffentliche Interesse an dem Schicksal der
Flüchtlinge und Vertriebenen für ihre Ziele auszunutzen trachten. Und
es wäre ein kleines Wunder gewesen, hätte die 
Vertriebenenfunktionärin und CDU-Abgeordnete Steinbach die 
Gelegenheit verstreichen lassen, über Polens Regierung herzufallen 
und diese mit der NPD gleichzusetzen.
 Tatsächlich aber kann uns die große Aufmerksamkeit, die zwei 
Fernsehabende zu Flucht und Vertreibung gewannen, lehren, wie wichtig
das Gespräch über den Schrecken der Vergangenheit ist. Was wir unter 
uns Deutschen selbst brauchen an Besinnung auf die so lange 
fortwirkenden Verletzungen, das können wir vernünftigerweise anderen 
nicht verweigern. Das Misstrauen, das derzeit in Warschau regiert, 
hat wiederum viel damit zu tun, dass die Polen selbst mühsam 
versuchen, mit der Erinnerung an ihre eigene Geschichte ins Reine zu 
kommen.
Um genau dieses Recht auf die eigene Erinnerung aber geht es bei den 
Diffamierungen, die Erika Steinbach ausspricht. Sie kann nicht 
hinnehmen, dass andere ihre Sicht auf die vergangenen einhundert 
Jahre nicht teilen, die sie ein Jahrhundert der Vertreibungen nennt. 
Sicher war es dies auch, im Gedächtnis vieler Deutscher sogar ganz 
besonders. Aber es war nicht weniger, es war zuerst ein Jahrhundert 
des Krieges. Es war dann zumal für die Polen vor allem ein 
Jahrhundert der blutigen Diktaturen, deren Ziel maßloser Terror und 
millionenfacher Mord war.
Es ist ein Verdienst des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, dass es 
den Zusammenhang zwischen den schrecklichen Taten von Hitler und 
Stalin und dem Schicksal der Deutschen hinreichend nachgezeichnet 
hat. Und darin wird auch angedeutet, was Polen, Deutsche und Russen 
einen könnte in dem schwierigen Versuch, den noch immer so 
unterschiedlichen Blick zurück als Chance zur Versöhnung zu 
begreifen. Denn nur im Blick auf die, die Herrscher wie Nutznießer 
der Diktaturen waren, lassen sich die Ursachen erklären, die Europa 
zu einem Kontinent des Grauens machten. Die Deutschen, die sich zum 
Kriegsende auf die Flucht machten, hatten ein feines Gespür dafür. 
Sie wollten dem Zusammenprall dieser beiden Schreckensregime 
entgehen. Was Frau Steinbach nie verstanden hat, ist die schreckliche
Gewissheit, dass es für Polen zu Kriegsbeginn wie zu Kriegsende keine
Himmelsrichtung gab, in die sie hätten fliehen können.

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Lausitzer Rundschau

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