Lausitzer Rundschau: Bundestag verabschiedet Rente mit 67
Cottbus (ots)
Noch ist unklar, welches Urteil über die Große Koalition einmal im Geschichtsbuch stehen wird. Ihr Gesetz zur Rente mit 67 zählt jedenfalls zu den gelungenen Reformwerken. Allein schon deshalb, weil die Pläne vergleichsweise konsequent und mutig umgesetzt worden sind. Und was am meisten erstaunt: Union und SPD haben praktisch nicht darüber gezankt. Auch das verdient Anerkennung. Die Gründe für diesen seltenen politischen Erfolg reichen in die jüngere Vergangenheit zurück. Noch in den 90er-Jahren war die Rentenpolitik Gegenstand heftigster ideologischer Kontroversen. Damals wetterten die Sozialdemokraten in der Opposition lautstark gegen christlich-liberale "Rentenkürzungen", die in Wahrheit nur eine Begrenzung des Anstiegs markieren sollten. Das böse Erwachen kam nach dem Regierungswechsel, als die Genossen das Loch in der Rentenkasse selbst zu verantworten hatten und die Rentenanpassung willkürlich außer Kraft setzten. Danach wurde immer wieder korrigiert und justiert. Aber es blieb Flickwerk. Erst als sämtliche Beschwichtigungen nicht mehr über den drohenden Kollaps der Rentenkassen hinwegtäuschen konnten, setzte auch bei der SPD ein Umdenken ein. Die Zwangsehe mit der Union bot schließlich den notwendigen Rahmen für weitreichende Entscheidungen. Nur weil beide Volksparteien jetzt in einem Boot sitzen, kann sich auch keine Seite vor den Wellen der Kritik flüchten. Zweifellos ist die Anhebung des Renteneintrittsalters unpopulär. Wer will schon länger arbeiten, noch dazu, wenn sich die Arbeitslosigkeit vor allem der Älteren in Millionen bemisst. Ein Blick in das Gesetz zeigt gleichwohl, dass der Wandel in homöopathischen Dosen übers Volk kommt. Die Anhebung beginnt im Jahr 2012 in Monatsschritten und endet im Jahr 2029. Erst die nach 1964 geborenen Jahrgänge werden demnach die Rente mit 67 voll zu spüren bekommen. Für sie aber zeichnen sich bessere Beschäftigungschancen im Alter ab, als es sie heute gibt. Schon jetzt klagen Unternehmen über einen zunehmenden Mangel an Fachkräften. Der durch die Geburtenarmut bedingte Rückgang der Erwerbstätigenzahl wird das Problem noch verschärfen. Die Notwendigkeit einer besonderen arbeitsmarktpolitischen Förderung gerade im Frühstadium der Reform ist damit allerdings nicht vom Tisch. Nur wenn die Menschen auch wirklich länger arbeiten dürfen, gewinnt die Rente mit 67 mehr gesellschaftliche Akzeptanz. Die Jüngeren müssen sich zudem darauf einstellen, für den Ruhestand stärker privat vorzusorgen. Denn was ihnen eines Tages aus der gesetzlichen Rentenkasse zukommt, reicht für eine Sicherung des Lebensstandards nicht mehr aus. Unter dem Strich ist das Gesetz zur Rente mit 67 ein entscheidender Schritt für den Interessenausgleich zwischen Jung und Alt. Ohne eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit wären entweder die Beitragslasten auf Dauer unzumutbar oder die Rente würde so gering ausfallen, dass die Existenzberechtigung der staatlichen Altersversicherung ins Rutschen käme. Beides kann nicht gewollt sein.
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