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Lausitzer Rundschau: Die SPD und die ostdeutsche Massenarbeitslosigkeit Der schmerzliche Tabubruch

Cottbus (ots)

Soll man die ostdeutschen Sozialdemokraten nun
dafür loben, dass sie sich immer klarer dazu durchringen, für den 
Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern eine eigenständige Politik zu
fordern? Oder soll man mit ihnen hadern, weil aus dieser Erkenntnis 
nur ganz allmählich politische Forderungen und irgendwann auch 
handfeste Vorhaben werden?
Wer fair bleibt, muss anerkennen, dass es in der deutschen 
Sozialdemokratie ein schweres Unterfangen ist, Abschied zu nehmen von
der Illusion einer Politik der Vollbeschäftigung. Die Partei versteht
sich schließlich aus ihrer Geschichte heraus als die 
Interessensvertreterin der Arbeitnehmer. Und in den alten 
Bundesländern wächst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung auch die 
Hoffnung, dem größten Teil der Arbeitswilligen wieder einen Job 
vermitteln zu können. Da stören die sowieso nicht all zu starken 
ostdeutschen Landesverbände mit ihrer Feststellung, dass auch 
gesteigertes Wachstum die hiesige Massenarbeitslosigkeit nicht 
beseitigen wird.
Franz Müntefering, Bundesarbeitsminister und Sozialdemokrat der alten
Prägung, wehrt sich weiter gegen den Tabubruch, den diese Erkenntnis 
nahelegt. Staatlich zumindest teilweise finanzierte 
Beschäftigungsverhältnisse auf Dauer, den so genannten dritten 
Arbeitsmarkt, sind für ihn auch das Eingeständnis des Scheiterns der 
bisherigen, als Reform verkauften Politik. Einen Kurs, der den Mangel
eher verwaltet als ihn zu beheben, will er lieber den 
Grundsicherungsaposteln wie dem CDU-Ministerpräsidenten Dieter 
Althaus überlassen.
Tatsächlich aber wird sich die West-SPD auf Dauer nicht der Einsicht 
verschließen können, dass es für viele Menschen in Ostdeutschland 
auch in den nächsten Jahren so gut wie keine Chance gibt, einen 
Arbeitsplatz in der Wirtschaft zu finden. Und die daraus 
resultierende dauerhafte Verunsicherung und Orientierungslosigkeit 
hat inzwischen einschneidende Auswirkung auf das gesellschaftliche 
Bewusstsein. Sie kann, dies belegen die neuesten Studien, zu einer 
Gefahr für das demokratische Gemeinwesen und insbesondere für den 
Glauben an die Sozialbindung unseres Rechtsstaates werden.
Die Forderung nach eigenständigen Maßnahmen für den ostdeutschen 
Arbeitsmarkt ist sinnvoll und politisch notwendig. Und die SPD sollte
nicht länger mit sich und ihrer Geschichte hadern, sondern handeln.

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