Mitteldeutsche Zeitung: Rechtsextremismus Pretzien ist kein Einzelfall
Halle (ots)
Nach der öffentlichen Verbrennung einer Ausgabe des Buches "Das Tagebuch der Anne Frank" im sachsen-anhaltischen Pretzien hat der Rechtsradikalismus-Experte Bernd Wagner heftige Kritik an den Bürgern und dem Ortsvorstand geübt. Der Leiter des Berliner Zentrums Demokratische Kultur sagte der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Freitag-Ausgabe), die Reaktionen der Einwohner auf einer kürzlich abgehaltenen Bürgerversammlung würden eine absolute Distanzlosigkeit gegenüber der Tat und damit auch gegenüber der Geschichte zeigen. "Sie verstehen überhaupt nicht, worum es heute beim Rechtsextremismus gehe."
Dass sich die Jugendlichen bei Dorffesten engagieren oder beim Hochwasser geholfen hätten, sei die Basis des Sozialverhaltens rechtsextrem orientierter Jugendlicher. Wenn man ihnen solche Möglichkeiten gebe, ohne die ideologische Auseinandersetzung zu suchen, liefere man den Rechten die legitimatorische Basis für ihre ideologische Arbeit. "Bürgermeister Friedrich Harwig hatte keinen Plan, wie er mit dem Problem umgehen soll", so Wagner. "Das ist hochgradig politisch naiv."
Denn entscheidend sei bei den "scheinbar so tollen Burschen" ihre undemokratische Ideologie und ihr asoziales Verhalten, wenn sie Gewalt ausübten, so Wagner weiter. Damit müsse man sich auseinandersetzen. Doch dazu seien Hilfestellungen und Schulungen nötig. Wagner beklagte, dass sowohl die Probleme als auch die Gegenstrategien seit langem bekannt seien, sich aber dennoch nichts ändere. Pretzien sei jedoch kein Einzelfall. "Verhaltensweisen wie dort finden sich in vielen Orten quer durch Deutschland."
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