Stuttgarter Zeitung: Interview mit IG-Metall-Chef Berthold Huber zur schwarz-gelben Koalition: "Die FDP hat sozialen Sprengstoff gelegt"
Stuttgart (ots)
Als "alten Wein in neuen Schläuchen" kritisiert der Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, die von der schwarz-gelben Koalition geplanten Entlastungen der Arbeitgeber. "Eine Antikrisenstrategie ist dies jedenfalls nicht", sagte er im Interview der "Stuttgarter Zeitung" (Montagausgabe).
Die größte Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren erfordere ein entschlossenes politisches Handeln. Im Koalitionsvertrag sei davon wenig zu finden, bemängelte Huber. Vielmehr würden wichtige Entscheidungen verschoben. "Die Vereinbarungen zum Beispiel zur Gesundheitspolitik sind sozialer Sprengstoff, den die FDP gelegt hat", sagte er. "Ob er zündet, wird sich wohl erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen erweisen." Die steuerpolitischen Regelungen für die Unternehmen würden die Möglichkeiten der Gewinnverlagerung ins Ausland erweitern. "So saniert man nicht die Staatsfinanzen", rügte der IG-Metall-Vorsitzende. Er könne nur davor warnen, die breiten Bevölkerungsschichten nicht zu entlasten, dafür aber die Unternehmen. "Das führt nicht zu mehr Beschäftigung."
"Eine Fülle von Auseinandersetzungen auf betrieblicher Ebene" sagte Huber für den Fall voraus, dass die Regelung zum Kurzarbeitergeld nicht ins Jahr 2010 hinein verlängert wird. Denn dann komme man schneller in eine Situation, in der am Ende des Tages Entlassungen stehen. "Das wird einer der Knackpunkte sein, an der sich unsere Haltung zur Koalition herauskristallisiert", mahnte er. Darüber hinaus hält Huber von Protesten gegen die Koalitionspolitik wenig. "Im Moment haben wir ein paar andere Probleme zu bewältigen, als Großdemonstrationen in Berlin oder anderswo zu organisieren", sagte er zu dem von DGB-Chef Michael Sommer befürchteten "Eissturm"
"Sachlich und interessenorientiert " will der IG-Metall-Vorsitzende künftig mit der von den Gewerkschaften FDP umgehen. Das sei eine Frage, die sich zwischen Kooperation und Konfrontation bewege. Wenn der künftige liberale Wirtschaftsminister Rainer Brüderle "die Ideologie aus der Oppositionszeit zur Grundlage macht, wird er schlicht an der Realität scheitern", warnte Huber.
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