Stuttgarter Zeitung: Interview mit dem Vorsitzenden des Marburger Bundes, Rudolf Henke, zum Tarifkonflikt der Krankenhausärzte: "Betrieb der Kliniken wird durch Streiks mäßig beeinträchtigt"
Stuttgart (ots)
Der Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, glaubt nicht an eine rasche Lösung im Tarifkonflikt der kommunalen Krankenhausärzte. Ein Tarifabschluss in der bis Dienstag angesetzten Verhandlungsrunde "ist nicht sehr wahrscheinlich", sagte er im Interview der "Stuttgarter Zeitung" (Montagausgabe). "Wenn ich das Gefühl hätte, der Apfel fällt jetzt vom Baum, würde ich keine aufwendigen Aktionen befürworten."
Für heute (Montag) ruft die Ärztegewerkschaft zu bundesweiten Warnstreiks in den kommunalen Krankenhäusern auf. "Wir wollen nicht unbedingt viele Kliniken an dem Tag außer Funktion setzen", sagte er. "Einschränkungen wird es aber geben." Möglicherweise werde der eine oder andere Eingriff, für den man Spezialisten brauche, um einen Tag verschoben. "Insgesamt wird der Betrieb der Krankenhäuser mäßig beeinträchtigt." Ziel des Warnstreiks sei es vielmehr, möglichst viele Ärzte in Bewegung zu bringen. Von einer großen Streikbereitschaft der Mitglieder wollte Henke nicht reden. "Das fängt ja immer klein an und wird dann größer", sagte er.
Allerdings warf er den kommunalen Arbeitgebern vor, "viel Öl ins Feuer gegossen zu haben". Die Unterbesetzung auf den Stationen mache den Ärzten sehr zu schaffen. "Wenn das so weitergeht, befürchten wir einen Anstieg innerhalb der nächsten vier Jahre von jetzt 5000 auf 10.000 unbesetzte Stellen", sagte der Gewerkschaftschef. Schon jetzt machten zwei Ärzte das, was früher drei oder vier gemacht hätten. Viele Häuser lösen ihre Besetzungsprobleme dadurch, dass sie Honorarärzte einkaufen. 4000 bis 5000 Wanderärzte seien in den deutschen Krankenhäusern unterwegs. Darüber hinaus müssen die verbliebenen Ärzte die zusätzliche Arbeit bewältigen und immer mehr Bereitschaftsdienste leisten. "Denen zu sagen, dass sich bei der Entlohnung des Nachtdienstes nichts bewegt, gehört sich einfach nicht", sagte Henke an die Adresse der Arbeitgeber. Die Arbeit in der Nacht, am Wochenende und am Feiertag müsse besser bewertet werden als Regelarbeitszeit, forderte er. Das Vorenthalten einer Zusatzvergütung für die Bereitschaftsdienste sei "leistungsfeindlich und ein starker Anreiz abzuwandern".
Das von den Arbeitgebern gewünschte Leistungsentgelt lehnte der Chef des Marburger Bundes als "Fließbandideologie" ab. Es sei "unendlich schwierig", die Leistung eines Arztes zu messen.
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