Stuttgarter Zeitung: Leitartikel zum Weltfrauentag
Stuttgart (ots)
Was waren das doch für Zeiten, Anfang der neunziger Jahre. Wer sich damals traute, das Wort "internationaler Frauentag" in einer Redaktionskonferenz fallen zu lassen, wusste, dass sein Tag gelaufen war. Die Kollegen rollten mit den Augen und stöhnten gequält auf; Frauentag - dieses angestaubt-sozialistische Erbe der DDR, bei dem doch eh nur ein paar verbiesterte Emanzen komplett humorfrei über Gleichberechtigung diskutieren wollten. Als ob es nichts Wichtigeres gäbe - sollten wir nicht dringend über die Autoindustrie, Sicherheitspolitik oder Steuersenkungen schreiben?
Heute macht niemand mehr dumme Sprüche über den Frauentag. Die Gleichberechtigung der Geschlechter in allen Bereichen des Lebens und die Chancengleichheit von Männern und Frauen in Beruf und Karriere ist von der Idee zur unwiderruflichen Grundlage unserer Gesellschaft gereift. Zu verdanken ist das vielen mutigen und ausdauernden Frauen in Unternehmen, Verbänden und Parteien, die nicht lockergelassen, sondern sich immer wieder gegen Widerstände gestemmt haben. An diesem gesellschaftlichen Erfolg haben aber auch die vielen Männer einen Anteil, die sich darauf eingelassen haben, tradierte Anschauungen und ihre eigene Rolle zu hinterfragen.
Natürlich wird niemand behaupten, alle frauenspezifischen Probleme seien gelöst. Sie sind es nicht. Frauen verdienen noch immer rund ein Fünftel weniger als Männer; sie fallen oft auf Teilzeit oder Minijobs zurück, weil sie Familie und Erwerbsarbeit nur schwer vereinbaren können, und büßen dafür später mit Altersarmut. Zudem werden Mütter, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, im Rentenrecht weiter krass ungerecht behandelt.
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