Stuttgarter Zeitung: Eine Blamage für die Justiz
Leitartikel zu NSU-Prozess
Stuttgart (ots)
Den NSU-Prozess zu verschieben ist eine Zumutung für alle Beteiligten. Die Verschiebung ist nicht nur ärgerlich, sie ist auch unnötig. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht Ende vergangener Woche Änderungen bei der Akkreditierung der Journalisten vorgeschrieben. Aber die Karlsruher Richter hatten den Münchner Kollegen den Fingerzeig gegeben, es reiche aus, nachträglich drei Plätze an türkische Medien zu vergeben. Das wäre auch bis zum geplanten Prozessbeginn morgen möglich gewesen. Man kommt nicht umhin, den Münchner Richtern Sturheit und Rechthaberei vorzuwerfen.
Der NSU-Prozess ist nicht nur einer der größten Strafprozesse, er ist auch einer der politisch brisantesten. Er wird international sehr genau beobachtet. Das Münchner Gericht hat unsensibel und unklug gehandelt. Es hat allein auf die Regeln der Strafprozessordnung geschaut, was ja notwendig ist, dabei aber die Öffentlichkeit und ihre Belange völlig aus dem Auge verloren. Selbst als ein Sturm der Empörung über es hereinbrach, hat es nicht nachgebessert, sondern versucht sich wegzuducken. Das konnte nicht gut gehen.
Die Münchner, die ja verzweifelt alles richtig und vor allem revisionssicher machen wollten, stehen nun vor neuen Unwägbarkeiten. Es ist naheliegend, dass bei einer neuen Akkreditierung dann unterlegene Journalisten erneut vor das Verfassungsgericht ziehen. Zu klären wird möglicherweise sein, ob nicht nur für türkische Zeitungen besondere Quoten notwendig sind, sondern auch für jene Medien, in deren Nähe viele der Morde geschehen sind.
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