Stuttgarter Zeitung: Leitartikel zu Wahlkampf/CDU/Merkel: Gummistiefel und Geschenke
Stuttgart (ots)
Jetzt auch noch solche Bilder: die Kanzlerin als Deichgräfin. Am Dienstag besucht Angela Merkel Hochwassergebiete. Die Visite bei den Opfern der Fluten soll zeigen, dass sie sich um wirklich alles kümmert - Merkel als Mutter der Nation. Die Politik des Kümmerns hat viele Facetten. Unlängst überraschte sie die Republik mit einer Wundertüte voller Wahlgeschenke, die sich Sozialdemokraten kaum schöner ausgedacht haben könnten.
Gegen diese Wohlfühlpolitik lässt sich zwar manches einwenden, doch die meisten werden höheres Kindergeld, einen Rentenbonus für Frauen und mehr Investitionen nicht anrüchig finden. Die rot lackierte CDU-Kampagne ist ein weiteres Beispiel für Merkels taktische Finesse - aber auch für ihren Mangel an Prinzipientreue, ihre politische Beliebigkeit. Mit milliardenteuren Wahlversprechen nimmt die Kanzlerin der SPD den Wind aus den Segeln. Sie ist bei deren Anhängern ohnehin populär. Nun gibt es für diese noch weniger Argumente, sie nicht zu wählen.
Prinzipiell muss Angela Merkel sich allerdings die Frage gefallen lassen, ob sie mit einer Wahlkampagne, die ein bisschen an das Märchen "Tischlein deck dich" erinnert, nicht das Pfund verscherbelt, mit dem sie bisher wuchern konnte: ihren soliden Ruf. Das wichtigste Kapital in der Politik ist nämlich nicht die Summe der Wahlversprechen, sondern die Glaubwürdigkeit. Bisher speiste sich diese aus einer sehr schwäbischen Finanzpolitik - Angela Merkel, die Frau mit den vielen Gesichtern, war ja auch einmal in der Rolle der schwäbischen Hausfrau angetreten. Nun tut die fabulöse Frau Merkel gar so, als könne sie gleich beides auf einmal: weiterhin verlässlich sparen und doch auch Geld ausgeben - Angela im Wunderland.
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