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Nitrofen-Skandal: Biobauern und Andechser Molkerei klagen auf 250.000 Euro Schadensersatz

Berlin (ots)

foodwatch fordert Verbesserung der Haftungsregelungen. Um die
Gesundheit der Verbraucher zu schützen und öffentliche Kosten zu
sparen.
Vom Nitrofenskandal geschädigte Biolandwirte und die Molkerei
Andechs verlangen jetzt 250.000 Euro Schadensersatz. Dafür verklagen
sie die Firma "Norddeutsche Saat- und Pflanzengut AG (NSP)" beim
Landgericht Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Vor drei Jahren
hatte der Fund des verbotenen Pflanzenschutzmittels Nitrofen in
Geflügelfleisch einen der größten Lebensmittelskandale in der
Geschichte der Bundesrepublik ausgelöst.
Die zivilrechtliche Klage reicht der Freiburger Rechtsanwalt
Hanspeter Schmidt im Namen der Biowirtschaft ein. Er führt an, dass
die mit Nitrofen kontaminierten Futtermittel in Umlauf kommen
konnten, weil die Firma NSP das Futtergetreide widerrechtlich in
einer Halle im mecklenburgischen Malchin eingelagert hatte. Diese
hatte zu DDR-Zeiten als Lager für Pflanzenschutzmittel gedient und
war hochgradig mit dem verbotenen Pestizid Nitrofen belastet. Die
Kläger hätten wegen der unwissentlichen Verwendung von
nitrofenhaltigen Futtermitteln ihre Produkte wie Fleisch und Milch
nicht mehr als Bioqualität absetzen können. Einkommensverluste seien
die Folge gewesen.
Barbara Scheitz, Geschäftsführerin der Molkerei Scheitz aus
Andechs: "Über die Verteilung nitrofenverseuchter Futtermittel in der
Landwirtschaft sind damals auch die Bio-Milchbauern völlig zu Unrecht
in Verdacht geraten, dass die Milch aus ihren Betrieben
nitrofenverseucht sei. Aufgrund verunsicherter Verbraucher brach
damals der Absatz der Andechser Molkerei dramatisch ein. Zusätzlicher
Schaden entstand, weil wir daraufhin mit großem Aufwand Kunden und
Handelspartnern erklären und beweisen mussten, dass die bei uns
verarbeitete Milch vom Nitrofenskandal überhaupt nicht betroffen
war!"
Vor einem Jahr wurden die strafrechtlichen Ermittlungen im
Nitrofenskandal eingestellt. Die zuständige Staatsanwaltschaft
Neubrandenburg gab an, weder eine konkrete Gesundheitsgefährdung von
Verbrauchern noch Vorsätzlichkeit nachweisen zu können. Allerdings
lägen Anhaltspunkte für fahrlässiges Verhalten vor. Im Widerspruch zu
diesem Einstellungsbeschluss steht ein von der Staatsanwaltschaft in
Auftrag gegebenes Gutachten, das foodwatch im April letzten Jahres
öffentlicht gemacht hat. Darin heißt es unter anderem, dass der
Verzehr eines nitrofenbelasteten Putenschnitzels oder mehrerer
belasteter Hühnereier durch eine Schwangere ausgereicht haben könnte,
um schwere Missbildungen beim Fötus hervorzurufen.
"Die geltenden straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen laden zu
fahrlässigem Umgang mit kontaminierten Futtermitteln geradezu ein",
kritisiert Matthias Wolfschmidt von foodwatch. Die
Futtermittelwirtschaft müsse mittels verschärfter Haftungsregelungen
dazu gezwungen werden, jede vermeidbare Gesundheitsgefährdung
auszuschließen. Dies habe foodwatch in dem jüngst veröffentlichten
Futtermittel-Report "Lug- und Trog" an vielen Beispielen aufgezeigt.
Die Bundesregierung habe seit dem Nitrofenskandal nichts unternommen,
um die Zustände grundlegend zu ändern. "Nitrofen kann jeden Tag
wieder passieren", so Wolfschmidt, studierter Veterinärmediziner und
bei foodwatch verantwortlich für Kampagnen.
Hintergrund Nitrofen-Skandal:
Die NSP war Mieterin einer Lagerhalle in Malchin in
Mecklenburg-Vorpommern, die zu DDR-Zeiten als Lager für
Pflanzenschutzmittel diente. Mindestens 1.000 Tonnen Biogetreide
wurden im Sommer 2001 in der Halle eingelagert und später an
Mischfutterhersteller und Geflügelbetriebe ausgeliefert. Anfang 2002
fand das Labor des Babynahrungs-Herstellers "Hipp" in Fleischproben
Nitrofenwerte, die bis zum 600-fachen über dem erlaubten Grenzwert
lagen. Der Nitrofenskandal schädigte Dutzende von Biobetrieben, deren
Erzeugnisse betroffen waren. Die Biobranche insgesamt erlitt einen
beträchtlichen Vertrauensverlust. Das Pestizid Nitrofen wurde
ursprünglich in der konventionellen Landwirtschaft eingesetzt, war
jedoch wegen seiner krebserregender Wirkung bereits Mitte der 80er
Jahre in den USA verboten und durfte auch in Deutschland nicht mehr
verwendet werden.
Unter www.foodwatch.de ist im Internet weiteres
   Hintergrundmaterial zum Nitrofenskandal zu finden:
- Gutachten der Universität Rostock im Auftrag der Staatsanwalt 
   - Brief der Staatsanwaltschaft Neubrandenburg 
   - Kommentar von foodwatch zur Einstellungsverfügung
   - foodwatch-Nitrofenchronik 
   - Übersicht über organisatorische Verflechtungen und Warenströme  
     des Nitrofenskandals

Pressekontakt:

Barbara F. Hohl
foodwatch e.V. Kommunikation
Brunnenstr. 181, 10119 Berlin
Fon : 030 / 240 476-19
Fax : 030 / 240 476-26
E-Mail: presse@foodwatch.de

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