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PM 28/21 Umfrage: Jüdisches Leben in Deutschland

PM 28/21 Umfrage: Jüdisches Leben in Deutschland
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Umfrage:

Fast jeder zweite Deutsche noch nie mit jüdischem Leben in Berührung gekommenMeinungsforschungsinstitut Civey befragte online 10.000 Bundesbürger im Auftrag

von Hanns-Seidel-Stiftung und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland

Bitte beachten Sie unsere nachfolgende Pressemitteilung - viele Ergebnisse sind in der graphischen Darstellung auch auf Landkreisebene ausgewiesen.

München, 22.11.2021 - In diesem Jahr wird das Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland begangen. Juden wünschen sich durch das Festjahr vor allem, dass mehr über jüdisches Leben und den Beitrag von Juden für die Gesellschaft bekannt wird. Aus welcher politischen Richtung resultiert Antisemitismus? Was weiß man hierzulande tatsächlich über jüdisches Leben, wie sind Bundesbürger bereits damit in Berührung gekommen und mit was wird es verbunden? Eine aktuelle Umfrage hat neue Erkenntnisse geliefert, die bei der Tagung "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland - hat es eine Zukunft?" mit Vertretern aus Politik und Religion am 21. November 2021 in München diskutiert wurden.

Zwischen Geschichte, Politik und Antisemitismus geht der Blick auf das aktuelle jüdische Leben verloren, beziehungsweise es gibt ihn kaum. Der Blick auf das Judentum bleibt oft ein Blick von außen. Fast jeder zweite Deutsche ist noch nie direkt in Kontakt mit jüdischem Leben gekommen. Das ist das zentrale Ergebnis einer Anfang November vom Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) gemeinsam beauftragten Umfrage.

Ergebnisse der Umfrage

Fast die Hälfte der Befragten (46%) gibt an, noch nie direkt mit jüdischem Leben in Deutschland in Berührung gekommen zu sein. Rund ein Achtel gaben indes an, jüdische Freunde und Bekannte zu haben (16,6 %), schon eine Synagoge besucht zu haben (17,9%) sowie durch die Schule (18,7 %) über jüdisches Leben erfahren zu haben.

Über 55 % der Umfrageteilnehmer verbinden jüdisches Leben am ehesten mit politischen und historischen Ereignissen und einer entsprechenden Medienberichterstattung, als mit positiven Beiträgen von Juden zu Kunst und Kultur (8,9%) oder Wissenschaft (3,5 %): In Deutschland stehen der Holocaust (19,5%), Antisemitismus und Angriffe auf Juden (14,2%) sowie die Politik im Nahen Osten und Israel (21,9%) im Fokus der Wahrnehmung des jüdischen Lebens.

Viele Ansichten gerieren sich aus der gängigen Berichterstattung, so auch bei der Einschätzung der Gefahr beim Thema Antisemitismus. Hier gaben die Befragten an, dass die größte Gefahr beim Antisemitismus von islamistischer Seite (42,7%) gefolgt von der politisch rechten Seite (35,4%) ausgeht. Nur knapp 10% der Befragten sehen eine Gefahr aus der Mitte der Gesellschaft sowie von der politisch linken Seite (4,4 %).

Die Ergebnisse der Umfrage sind hier abrufbar: https://app.civey.com/dashboards/judisches-leben-im-deutschland-7905

Stellungnahme der HSS

Zur Veröffentlichung der Umfrageergebnisse erklärt der Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Markus Ferber, MdEP: „Die Umfrage zeigt, dass jüdisches Leben in Deutschland für viele abstrakt bleibt, weil zum einen greifbare Berührungspunkte fehlen, zum anderen, weil die Wahrnehmung sich nicht auf den jüdischen Alltag, sondern auf historische und politische Ereignisse wie den Nahostkonflikt fokussiert. Damit wird man den hier lebenden Juden in keiner Weise gerecht. Statt Neugierde ist eine Distanz entstanden, die durch mehr Bildung und Wissensvermittlung dringend aufgelöst werden muss." Der Leiter des Kompetenzzentrums Gesellschaftlicher Zusammenhalt und interkultureller Dialog der Stiftung, Philipp W. Hildmann, ergänzt: "Auch die weitere Bekämpfung des Antisemitismus muss weiter zentrale Aufgabe von Politik und Gesellschaft sein. Die größte Gefahr beim Thema Antisemitismus geht von rechter und islamistischer Seite aus. Bei letzterer ist es besonders das falsche Narrativ des Nahostkonfliktes, was Antisemitismus gerade unter den hier in Deutschland lebenden Muslimen begünstigt. Daraus erwächst ein erweiterter Bildungsauftrag, hier gezielt gegenzusteuern.“

Stellungnahme der ORD

Der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (Rabbiner Avichai Apel (Frankfurt), Zsolt Balla (Leipzig) und Yehuda Pushkin (Stuttgart)) erklärt zur Umfrage:

„Nur fast jeder zweite Deutsche hatte schon mal Berührungspunkte mit jüdischem Leben und nur ein Achtel hat in Schulen etwas darüber vermittelt bekommen. Das ist ein trauriges Ergebnis und zeigt, dass in der Gesellschaft, etwa in Schulen, Bildungseinrichtungen oder den Medien mehr über jüdisches Leben und den Beitrag von Juden für unsere Gesellschaft vermittelt werden muss. Über die positiven Beiträge des Judentums zur deutschen und europäischen Kultur ist nach wie vor viel zu wenig bekannt und es ist selten ein Thema an Schulen oder in Medien. Das sind elementare Bausteine, um Distanzen und Vorurteile abzubauen, damit Unwissenheit oder Angst vor dem Fremden nicht länger in Antisemitismus, auf einem falschen Nahostnarrativ basierenden Israel-Hass oder gar in Gewalt gegen hier lebende Jüdinnen und Juden umschlagen, die seit 1700 Jahren ein untrennbarer Teil Deutschlands sind.“

Fakten zur Befragung

Das Meinungsforschungs-Institut Civey hat für die Hanns-Seidel-Stiftung und die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) vom 4. bis 8. November 2021 online 10.000 Bundesbürger ab 18 Jahren befragt. Der statistische Fehler der Ergebnisse liegt bei 2,5 Prozent. Es fließen ausschließlich Antworten von registrierten und verifizierten Nutzern ein. Civey korrigiert Verzerrungen durch ein mehrstufiges Gewichtungsverfahren.

Kompetenzzentrum Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Interkultureller Dialog

In ihrem 2020 gegründeten Kompetenzzentrum Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Interkultureller Dialog konzentriert die Hanns-Seidel-Stiftung ihre Aktivitäten zur Stärkung der gesellschaftlichen Integrität. Damit trägt die 1967 gegründete Politische Stiftung den aktuellen Herausforderungen Rechnung: Einer zunehmenden Spaltung durch Feinde der Demokratie und wachsender Heterogenität unserer Gesellschaft im sozialen, kulturellen, religiösen oder politischen Bereich entgegenzuwirken. Ein zentrales Ziel aller Aktivitäten ist es, durch Analyse, Dialog und Beratung einen relevanten Beitrag für den Erhalt unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft zu leisten und den interkulturellen Dialog zu stärken. Leiter des Zentrums ist Dr. Philipp W. Hildmann.

Über die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD)

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) umfasst 55 Mitglieder. Das Rabbinat für Deutschland mit Sitz in Köln wurde 2003 als Organ des Zentralrates der Juden gegründet mit dem Ziel, sich für das jüdische Leben sowie Erhalt jüdischer Tradition und Vorschriften hierzulande einzusetzen. An der Spitze der ORD stehen derzeit Rabbiner Avichai Apel (Frankfurt), Zsolt Balla (Leipzig) und Yehuda Pushkin (Stuttgart).

Hubertus Klingsbögl
Pressesprecher der Hanns-Seidel-Stiftung 
 presse@hss.de