London 2012: Sporthilfe-Experten-Ausblick mit Schwimm-Weltmeisterin Antje Buschschulte
Frankfurt am Main (ots)
London 2012: Sporthilfe-Experten-Ausblick für Donnerstag, 02.08.2012
Schwimmen mit Britta Steffen
Weltmeisterin Antje Buschschulte über die Leistungen der deutschen Schwimm-Mannschaft
Bei Olympia gibt es keine Wunder
Die 100 Meter Freistil sind eine der Top-Strecken im Schwimmen. Hier sind die Amerikanerinnen und Australierinnen sicher vorn dabei, mein Tipp für Gold in London ist allerdings die Niederländerin Ranomi Kromowidjojo, die in der 4x100m-Freistil-Staffel als Schlussschwimmerin fliegend unter 52 Sekunden geblieben ist. Aus deutscher Sicht wäre für Daniela Schreiber ein olympisches Finale sicherlich ein riesiger Erfolg. Sie war bisher immer eine gute Staffelschwimmerin, konnte die Leistungen aber im Einzel meist nicht bestätigen. Britta Steffen wird sicher das rausholen, was in ihr steckt. Ihr ist eine Medaille zuzutrauen, wenn alles stimmt. Die Titelverteidigung wird sehr, sehr schwer.
Sicher sind die Olympischen Spiele viel mehr als nur die Jagd nach Medaillen. Die Briten haben mit ihrer Eröffnungsfeier versucht, Kultur und Werte wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Was alle Sportler im olympischen Dorf eint und zusammenschweißt, ist jedoch nicht der Tourismus, sondern das Streben nach Erfolg und Perfektion. Pierre de Coubertin sagte: "Dabei sein ist wichtiger als Siegen." Es versteht sich jedoch von selbst, dass man das Beste bei den Spielen gibt. Die deutschen Schwimmer haben diese Erwartungen, seit ich dabei war, nur in Atlanta erfüllt. 1996 wurde anders als 1992 zwar keine Goldmedaille gewonnen, die Bilanz damals war allerdings, verglichen mit heute, phänomenal gut, was Medaillen und Finalteilnahmen angeht. Siegen kann wohl derzeit jedoch nur unser Fernziel sein, aber wenigstens sollten die Vorleistungen bei den Spielen bestätigt werden! Damit tut sich die Mannschaft seit 2000 sehr schwer.
Hätte Britta 2008 nicht als Ausnahmeathletin mit zwei sensationellen Goldmedaillen die Bilanz verziert, wären vielleicht nach Peking Konsequenzen gezogen worden. Über Nachwuchsförderung und Talenterkennung möchte ich hier gar nicht sprechen, aber selbst das vorhandene Potential wurde nie genutzt. Die Olympischen Spiele wurden von der Führung und vielen Trainern immer auf einen Sockel gestellt, als sei der Wettkampf dort ganz anders als bei einer WM. Im Training wurde nach der Qualifikation oft zu viel anders gemacht und nicht auf Bewährtes zurückgegriffen, das dem Athleten Sicherheit und Vertrauen gibt. Es wurde immer zu viel auf Wunder gehofft, statt gekämpft. Wer im Sport hofft, hat vor Angst schon innerlich aufgegeben. Es gibt keine Wunder bei Olympia, auch wenn die Medien dies gern so darstellen. Meist gewinnen die Favoriten oder unheimlich junge aufstrebende Talente (welche wir zurzeit nicht haben). Findet sich dann doch einmal ein unbeschriebenes Blatt höheren Semesters weit vorne, ist leider oft Doping im Spiel.
Was hat die Schwimm-Mannschaft nicht schon für einen Aufwand veranstaltet, weil Olympische Spiele anstanden! Meine Meinung: Keep it simple! Gutes Training von guten Trainern mit den großen Zielen EM, WM und Olympischen Spielen im Hinterkopf - nicht den deutschen Mannschaftsmeisterschaften oder anderem Kleinkram, auf dem man ohne Konkurrenz glänzen kann - sollte ausreichen, um das vorhandene Potential auszuschöpfen! Die einfachsten Dinge sind jedoch oft die, die am schwersten umzusetzen sind!
Allen Athleten wünsche ich viel Erfolg und Spaß am schnell schwimmen! Glück ist nicht nötig!
Eure Antje Buschschulte
Antje Buschschulte (* 27. Dezember 1978 in Berlin)ist fünffache Medaillengewinnerin bei Olympischen Spielen, zweifache Welt- sowie fünffache Europameisterin. Insgesamt gewann sie über 54 Medaillen bei internationalen Meisterschaften und nahm an vier Olympischen Spielen teil (1996, 2000, 2004, 2008). Sie ist mit dem Rückenschwimmer Helge Meeuw verheiratet, mit dem sie eine Tochter hat. Die studierte Biologin arbeitet als Büroleiterin beim Chef der Staatskanzlei für die Landesregierung von Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Die Rücken- und Freistilspezialistin wurde über 15 Jahre (von 1993 bis 2008) von der Deutschen Sporthilfe gefördert, heute ist sie Mitglied in emadeus - dem Club der Sporthilfe-Athleten.
Abdruck honorarfrei. Quelle: Deutsche Sporthilfe
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