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Kanu-Olympiasiegerin Birgit Fischer: "Manchmal denke ich über ein Comeback für Rio 2016 nach"

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Kanu-WM: Sebastian Brendel ist mein Titel-Favorit / Deutsche Wiedervereinigung war gut und wichtig / Im Sport ist Vieles für den späteren Beruf erlernbar

Deutschlands erfolgreichste Olympionikin Birgit Fischer, Mitglied der "Hall of Fame des deutschen Sports", blickt mit Interesse nach Mailand, wo am 19. August die Weltmeisterschaften im Kanu-Rennsport starten. Die achtmalige Olympiasiegerin und 27-fache Weltmeisterin spricht zudem im Interview mit der Deutschen Sporthilfe über ihre Comeback-Gedanken für Rio 2016, über Erfolge für die DDR und das wiedervereinigte Deutschland und über weitere mögliche Kanuten für die "Hall of Fame".

Vor 30 Jahren und vor 20 Jahren holten Sie insgesamt vier WM-Titel: 1985 in Mechelen im Kajak-Einer, -Zweier und -Vierer für die DDR sowie 1995 in Duisburg im Kajak-Vierer für das wiedervereinigte Deutschland. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit diesen Jubiläen?

Ehrlich gesagt, wenige. Es gab Jahre, in denen ich fünf WM-Titel holte, daran erinnere ich mich natürlich besser. Und 1995 in Duisburg, hm...

...ein WM-Titel im Vierer.

Ja, das war ein schlechtes Jahr. Wirklich, spezielle Erinnerungen an die Weltmeisterschaften 1985 und 1995 habe ich nicht. Ich finde auch das Jubiläum 1. August spannender: 35 Jahre erster Olympiasieg 1980. Da hatte ich spontan zwölf Leute zu Gast, die brachten einen Kuchen mit einer 35 und Blumen mit.

Medaillen für die DDR und das wiedervereinigte Deutschland - machte das für Sie einen Unterschied?

Nein, es ging immer ums Gleiche: Wir stellen uns an die Startlinie, haben Konkurrenten und fahren um die Wette. Natürlich hat sich im Umfeld viel verändert, die Wende war gut, war wichtig, es war an der Zeit. Im rein sportlichen Treiben blieb es für mich aber gleich, ich bin nur unter einer anderen Flagge gestartet.

Die Kanuten gehören traditionell zu den erfolgreichsten deutschen Sportlern. 2014 gab es bei der WM in Moskau so wenige Medaillen wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr, nur drei über die olympischen Strecken. Schauen Sie sorgenvoll auf die anstehende WM und die damit verbundene Olympiaqualifikation?

Sorgenvoll überhaupt nicht, ich schaue mit Interesse nach Mailand, das ist das richtige Wort. Letztes Jahr lief es nicht so gut, aber wenn man immer auf hohem Niveau paddelt, fallen nicht erbrachte Leistungen schnell auf. Ich denke, die deutschen Kanuten sind gut auf Kurs, wenn ich das richtig beobachtet habe.

Wem aus dem deutschen Team trauen Sie den WM-Titel zu?

Umso öfter man einen Titel wieder erringen muss, umso schwieriger wird es. Unser Canadier-Fahrer Sebastian Brendel ist eine gute Bank. Der wird es als ausgeglichener Fahrer am ehesten richten.

Neben Ihren Medaillen sind Sie auch für Ihre Comebacks bekannt. In den 1980er Jahren nach der Geburt der beiden Kinder, 2004 holten sie mit 42 Jahren im Vierer noch einmal olympisches Gold, 2012 mussten sie vor der nationalen Qualifikation wegen Herzrhythmusstörungen passen. Haben Sie mal kurz daran gedacht, Rio ins Visier zu nehmen?

Immer mal wieder, ja. 2012 wollte ich die neue olympische Strecke über 200 Meter fahren, weil Sprint schon immer mein Ding war. Auch jetzt, wenn ich mit recht schnellen Sportlern unterwegs bin und Rennboot fahren muss, merke ich, wie gut es läuft, dass da immer noch viel geht. Da kommt wieder der Gedanke auf. Doch ich bin jetzt 53, irgendwann soll man ja ruhiger werden.

Sie sind also noch richtig schnell unterwegs.

Ich fühle mich sehr gut und habe immer mal wieder einen Leistungstest, wenn ich in meiner Paddelschule Rennsportler zum Training habe. Aber ich weiß nicht, wie schnell ich bin, weil ich nicht auf die Regattastrecke gehe. Ich werde weiter Wettkämpfe fahren, allerdings auf niedrigerem Niveau, also nicht bei Deutschen Meisterschaften.

Ende Juni sind Sie auf dem Yukon River in Kanada beim längsten Kanurennen der Welt gestartet. Welche Erfahrungen haben Sie da gemacht?

Die Erfahrung war, dass wir nicht angekommen sind im Ziel. Ich bin im Mixed gefahren, und mein Partner war nicht ganz gesund. Deshalb haben wir das Rennen nach 300 Kilometern abgebrochen. Allerdings sind wir diese 300 Kilometer unter 24 Stunden gefahren und waren bis dahin Erste in unserer Klasse. Doch das gesundheitliche Risiko wäre zu groß gewesen. Nicht ins Ziel zu kommen, ist auch eine Erfahrung. Ich werde es vielleicht noch einmal probieren. Solche Herausforderungen brauche ich immer mal wieder.

Was haben Sie aus dem Sport noch fürs Leben mitgenommen?

Da bekommt man fast alles mit. Das fängt an bei Durchhaltevermögen, Konzentration auf das Wesentliche, eine gewisse Ausdauer natürlich, Zielstrebigkeit, Kameradschaft und auch Demut - im Sport kann man all das lernen, was man später im Beruf haben muss. Bei mir war das jedenfalls so.

Auch Sie haben parallel zu Ihrer Sportkarriere studiert, gearbeitet und sich 2004 mit einer Paddelschule selbstständig gemacht. Können Sie jungen Athleten, die beides unter einen Hut bringen möchten, einen Tipp geben?

Ich denke, es geht nur, wenn man beides wirklich will, und dann Partner an der Seite hat, Vereine oder Sponsoren, die einen finanziell unterstützen. Zudem ist die Duale Karriere nicht in jeder Sportart gleich gut möglich. Ich konnte beispielsweise 1992, als ich wieder anfing, alleine trainieren, ohne Trainingsgruppe und Trainer. So konnte ich mir ganz flexibel die Zeit einteilen und mich um meine Kinder und mein Fernstudium kümmern. Eine solche Flexibilität ist natürlich von Vorteil, funktioniert aber nicht überall.

Sie haben mal gesagt: "Bei dem, was man tut, soll man glücklich sein, sonst kann man nicht erfolgreich sein."

Richtig, ich hätte den Kanusport als alleinerziehende Mutter sonst nie so lange machen können. Wenn ich merkte, mich macht etwas nicht glücklich, habe ich die Richtung gewechselt und einen Job aufgegeben, beispielsweise nach zwei Jahren den der Bundestrainerin.

Als Deutschlands erfolgreichste Olympionikin sind Sie Mitglied der "Hall of Fame des deutschen Sports". Was bedeutet Ihnen das?

Es ist eine Anerkennung meiner Leistung und letzten Endes eine Anerkennung für den Kanusport. Ich bin ja relativ schnell aufgenommen worden, schon 2008, als eine der Ersten. Offenbar führte da - anders als bei vielen Wahlen zur Sportlerin des Jahres - kein Weg an mir vorbei. Zugleich fällt mir auf, dass kein anderer Kanute vertreten ist, obwohl wir einer der erfolgreichsten Sportverbände sind. Es gibt bestimmt noch einige gute Paddler, die die "Hall of Fame" schmücken könnten.

Zur Person:

Birgit Fischer (*25. Februar 1962 in Brandenburg an der Havel)

Birgit Fischer ist die erfolgreichste deutsche Olympia-Teilnehmerin. Bei sechs Spielen von 1980 in Moskau bis 2004 in Athen gewann sie im Kajak acht Goldmedaillen, dazu viermal Silber; 1984 war sie vom Olympia-Boykott betroffen. Sie wurde 27-mal Weltmeisterin und ist damit die erfolgreichste Kanutin aller Zeiten. Ihr erstes olympisches Gold gewann Birgit Fischer 1980 in Moskau im Einer-Kajak über 500 Meter, das letzte 2004 in Athen im Vierer. Damit siegte die Diplomsportlehrerin und Sport- und Tourismusmanagerin bei allen Olympiateilnahmen mindestens einmal, keine Sportlerin war über einen so langen Zeitraum so erfolgreich in einer olympischen Sportart. Die zweifache Mutter, 2004 zur "Sportlerin des Jahres" gewählt und 2008 in die "Hall of Fame des deutschen Sports" aufgenommen, lebt in Bollmannsruh am Beetzsee in Brandenburg. Zum ausführlichen Portrait auf hall-of-fame-sport.de: http://bit.ly/1KiMR9p

Die Fragen stellte Oliver Kauer-Berk.

Abdruck honorarfrei. 
Quelle: Deutsche Sporthilfe 

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