Oxfam: Die Ärmsten waren vom Seebeben am schwersten betroffen
Berlin (ots)
Arme Menschen haben am meisten unter den Folgen des Seebebens gelitten und brauchen auch weiterhin Unterstützung während der Wiederaufbau-Phase, berichtet eine neue Studie der internationalen Hilfsorganisation Oxfam.
Der Bericht 'Targeting Poor People', der sechs Monate nach der Katastrophe vorgelegt wird, zeigt, dass drei Einflussfaktoren die Wirkung des Tsunami auf arme Menschen besonders verschärften:
- Arme Gemeinwesen waren anfälliger. Ihre zerbrechlichen Hütten wurden fortgespült, wohingegen die Steinhäuser der Reicheren eher den Flutwellen standhielten; arme Dörfer in entlegenen Gebieten mussten länger auf Hilfe warten und hatten keine Ärzte in der Nähe.
- Geographischer Zufall wollte es, dass das Seebeben in den drei am schwersten betroffenen Ländern gerade die ärmsten Menschen besonders traf.
- Obwohl der Wiederaufbau in vielen Fällen tatsächlich armen Menschen zugute kommt, gibt es auch Fälle, in denen sich die Hilfe auf Landbesitzer, Unternehmer und die bekanntesten Fälle konzentriert, anstatt ärmeren Gemeinwesen Priorität einzuräumen.
Dazu Paul Bendix, Geschäftsführer von Oxfam Deutschland: "Das Seebeben traf arme Menschen am schwersten und stellt sie vor die größten Probleme. Die enorme Hilfsbereitschaft bei uns hat uns in die gute Lage versetzt, diese Probleme angehen zu können. Wir müssen diese Möglichkeit nutzen. Wir müssen den Menschen dabei helfen, sich aus eigener Kraft aus der Armut zu befreien und auch sicherstellen, dass sie künftig besser in der Lage sind, Naturkatastrophen zu begegnen wann immer sie wieder auftreten."
Oxfam und seine Partner unterstützen mit ihrer Arbeit mehr als eine Million vom Seebeben betroffener Menschen in Indien, Sri Lanka und Indonesien. Die bisherige Nothilfe war insgesamt außerordentlich erfolgreich: Der Ausbruch von Seuchen wurde verhindert, und die Menschen wurden mit dem Notwendigsten wie Notunterkünften und Trinkwasser versorgt. Inzwischen konzentriert Oxfam sich stärker auf Frauen und Randgruppen, um sicherzustellen, dass niemand von den Hilfemaßnahmen ausgeschlossen ist. Oxfam wird über einen Zeitraum von fünf Jahren insgesamt 250 Millionen US$ einsetzen.
In Indien setzt Oxfam zum Beispiel Salzpfannen instand, in denen Tausende von armen Arbeitern Beschäftigung finden. Die Menschen, die in diesen Salzgewinnungsanlagen arbeiten, zählen zu den ärmsten des Landes und gehören meist Randgruppen an. Aber da ihre Häuser nicht vom Seebeben zerstört wurden, finden sie von offizieller Seite wenig Unterstützung.
Nach einer neueren Untersuchung in einem Dorf in Sri Lanka ist das Einkommen derjenigen, die ihre Häuser verloren hatten, durchschnittlich um 94% gesunken: von $0,64 pro Tag und Haushalt auf $0,04. Dies ist zum Teil dadurch verursacht, dass der Zugang zu den armen Menschen schwer herzustellen ist, weil sie durch die gegebenen gesellschaftlichen Strukturen oft isoliert und nur schwer zu identifizieren und zu erreichen sind.
Die staatliche Hilfe Sri Lankas kam bisher großenteils registrierten Unternehmen zugute. Dies bedeutet zum Beispiel, dass Besitzer von 'coir' (Kokosfaser)-Mühlen entschädigt werden, nicht aber deren Arbeiter, die sich mühsam ihren Lebensunterhalt verdienen. In Indien hat man bevorzugt Fischer unterstützt, und dafür haben andere Arbeiter, wie zum Beispiel Tagelöhner, Kleinbauern und Beschäftigte in den Salzpfannen (von denen viele Frauen sind oder den niederen Kasten angehören), weniger Hilfe erhalten.
Der Bau von Unterkünften für arme Menschen ist ebenfalls mit Schwierigkeiten verbunden. Vor dem Seebeben besaßen viele Mitglieder gesellschaftlicher Randgruppen kein Land. Selbst diejenigen, die Land besaßen, haben nun oft Schwierigkeiten dies zu beweisen, da sie ihre offiziellen Dokumente verloren haben oder weil der Landbesitz vorher bei den Männern lag (in Haushalten, die jetzt von Frauen geführt werden müssen).
Ohne Landtitel laufen diese Familien Gefahr, enteignet und dadurch noch mehr an den Rand gedrängt zu werden. In Indonesien hat das Seebeben bis zu 500.000 Menschen zu Binnenflüchtlingen gemacht. Reichere Familien, die Ersparnisse oder wohlhabende Bekannte hatten, konnten bereits die Notlager verlassen, aber Tausende von Armen bleiben zurück.
"Erbärmlich arme Menschen sind durch das Seebeben noch ärmer geworden. Die Hilfeanstrengungen müssen nun schwerpunktmäßig Arme, marginalisierte Gruppen und Frauen erfassen, um sicherzustellen, dass auch sie von den Wiederaufbauaktivitäten profitieren", fügte Bendix hinzu.
Oxfam empfiehlt, dass Regierungen und internationale Organisationen sich aktiv um die Bedürfnisse der ärmsten vom Seebeben betroffenen Menschen kümmern. Dies ist unverzichtbar für die Erreichung des international vereinbarten Millenium-Entwicklungsziels, die weltweite Armut bis 2015 zu halbieren.
Schon vor dem Seebeben war die Region arm:
- In Aceh/Indonesien hatten Jahre des bewaffneten Konfliktes bereits den Wohlstand verringert. Die Hälfte der Bevölkerung hatte 2002 keinen Zugang zu sauberem Wasser, und fast ein Drittel lebte in Armut.
- Kerala und Tamil Nadu, die am schwersten betroffenen südlichen Unionsstaaten Indiens, waren verhältnismäßig wohlhabend, aber die Küstengemeinden dort zählen zu den ärmsten in ganz Indien. In allen am meisten betroffenen Bezirken (Nagapattinam, Cuddalore und Kannaykumari) haben die Menschen im Durchschnitt weniger als $1 pro Tag zum Leben.
- In Sri Lanka lebt bis zu einem Drittel der vom Seebeben betroffenen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, insbesondere in den Konfliktregionen im Norden und Osten des Landes.
Der vollständige Bericht "Targeting Poor People" ist in englischer Sprache unter http://www.oxfam.org/eng/pdfs/bn050625_tsunami_targetingthepoor.pdf zugänglich.
Weitere Informationen: Paul Bendix, Oxfam Deutschland, 0178-5199273
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