Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer
Busbranche setzt auf freiwillige Maßnahmen
Ausmaß der Busunfälle im vergangenen Jahr maßgeblich auf
Fahrbahnführung und Straßenbeschaffenheit zurück zu führen
Berlin (ots)
Die schweren Busunfälle im vergangenen Jahr haben der Branche negative Schlagzeilen beschert. Mit dem bundesweit ersten Kongress zur Bussicherheit ist der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) gewillt, dass hohe Image von Busreisen weiter zu stabilisieren und auszubauen. Unter dem Motto "Mit Sicherheit ans Ziel" diskutieren deshalb über 30 nationale und internationale Experten in Berlin mit mehr als 350 Teilnehmern über weitere Verbesserungen zur Bussicherheit.
Die schweren Busunfälle haben gezeigt, "dass auch wir nicht vor Katastrophen gefeit sind. War es 1998 für die Bahn Eschede und 2000 für das Flugzeug der Concorde-Absturz in Paris, so sind es für den Bus seit dem letzten Jahr Siofok und Lyon", so Präsident Norbert Rohde in seiner Eröffnungsrede. "Sicherheit ist unser wichtigstes Kapital, deshalb muss auch eine genaue Unfallursachenforschung betrieben werden" führte Präsident Rohde weiter aus. Letztlich blieb es dem bdo vorbehalten, ein unabhängiges Gutachten beim TÜV in Auftrag zu geben, dem sich auch der Internationaler Bustouristik Verband (RDA) anschloss. "Es ist gut, dass die Branche hier geschlossen auftritt", so Präsident Rohde an dieser Stelle.
Erste Ergebnisse des unabhängigen Gutachtens
Alle Busse - auch die Bauart vor 1999 - hatten nachweislich keine gravierenden Mängel an der aktiven Sicherheit, die unfallursächlich gewesen wären. Die Busunternehmen haben trotz des Wettbewerbsdrucks bei längeren Strecken nicht auf den zweiten Fahrer verzichtet. Das Fahrpersonal war ausnahmslos mit den Nachweisen für die gesundheitlichen, reaktions- und belastungsfähigen, akustisch und optischen Anforderungen für Busfahrer ausgestattet. Erste Anhaltspunkte sind sichtbar, dass die im Reisebus vorhandenen, für den Fahrer entlastenden elektronischen Hilfen - wie bspw. der Tempomat - Unfall fördernd sein könnten.
Verstärkte Hinweise sind vorhanden, dass die Fahrbahnbeschaffenheit und die Straßenführung das Ausmaß der Unfallschwere maßgeblich beeinflusst haben. Nach ersten Erkenntnissen der Sachverständigen sind dies u.a. eine teilweise zu hohe Straßenführung mit unzureichenden Auslaufmöglichkeiten für Fahrzeuge, unfallfördernde Spurrillen und Einengung der Fahrbahn durch das Aufstellen von Betonpollern.
Die Gutachter gelangen jedoch zu der Auffassung, dass endgültige Aussagen erst nach Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen möglich sein werden.
Schlussfolgerungen und politische Forderungen der Branche
Dennoch lassen die ersten Erkenntnisse Schlussfolgerungen zu. Die Statements, wonach die schweren Unfälle im vergangenen Jahr oft durch Übermüdung der Fahrer ausgelöst worden, können derzeit nicht bestätigt werden. Zudem entsprach die Anzahl der Fahrer den gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungen. Die technische Sicherheit der verunglückten Busse ist nicht zu bemängeln. Dies bestätigt langjährige Aussagen von Herstellern und Betreibern, wonach die Sicherheitstechnik am Omnibus ausgewogen und ausgefeilt ist. Auch die geringe Mängelbilanz bei den jährlichen Hauptuntersuchungen spricht eindeutig für den Omnibus.
Offensichtlich haben Fahrbahnbeschaffenheit und Fahrbahnführung erheblich zur Schwere der Unfälle beigetragen. "Wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte, so muss hier dringend durch Bund und Länder Abhilfe geschaffen werden. Die Umsetzung unserer alten Forderung nach sogenannten Rumpelstreifen an Autobahnen wäre ein erster und wichtiger Schritt. Nicht nur im Interesse unserer Reisegäste, sondern im Interesse aller Verkehrsteilnehmer, vor allem der Pkw-Fahrer", so Präsident Rohde und verwies darauf, dass sich hier der bdo mit dem ADAC einig weiß. Obwohl Rumpelstreifen eine relativ preisgünstige und effektive Maßnahme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sind, so ist eine annähernde Umsetzung aussichtslos. Bis 2008 plant die Bundesregierung insgesamt 7,7 Milliarden Euro einzusparen. Allein der Fernstraßenhaushalt soll dabei um 3,9 Milliarden Euro zurückgeführt werden und das, obwohl die Straße 80 Prozent aller Verkehrsleistungen erbringt.
Präsident Rohde verwies auch noch einmal darauf, dass die Genehmigungsbehörden, die alle vier Jahre die Genehmigung an Busunternehmer neu vergeben, alle Informationen über Ordnungswidrigkeiten von der Polizei und den Gewerbeaufsichtsämtern erhalten müssen. Nur so sei eine Marktbereinigung von unseriösen Unternehmen zu erreichen. "Wenn es notwendig sein sollte, so darf sich die Politik nicht scheuen, das Datenschutzgesetz zu ändern - es geht letztlich um die Interessen des Verbrauchers", so Rohde. Eine zweite große Sicherheitslücke sei die vor zwei Jahren abgeschaffte Genehmigungspflicht für Busreiseveranstalter. Die sogen."Doppellizenz" garantierte ein Maß an Sicherheit, Leistungsfähigkeit und fachlicher Eignung. Die vom Gesetzgeber gut gemeinte Absicht, vermeintlich bürokratische Hürden abzubauen, trifft die Sicherheit des Busreiseverkehrs. Der Staat habe keinerlei Möglichkeit mehr, unseriösen Anbietern mit gesetzlichen Mitteln das Handwerk zu legen. Deshalb ist die gemeinsame Forderung von bdo und RDA die Wiedereinführung der "Doppellizenz".
Freiwillige Maßnahmen der Branche
Unabhängig der Erkenntnisse und Forderungen aus dem Gutachten "müssen wir uns jedoch fragen, was wir eigenverantwortlich unternehmen können, um die Risiken noch weiter zu minimieren", so Präsident Rohde dazu in seiner Rede und nannte zwei entscheidende Faktoren: Weiterbildungsmaßnahmen und Verbraucheraufklärung.
Allein in den letzten Monaten haben die in den bdo-Landesverbänden organisierten Unternehmen, freiwillig und auf eigene Kosten mehr als 8.000 Busfahrer zusätzlich nach Qualitätsmaßstab des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) schulen lassen. Dafür wurden mehrere Millionen Euro ausgegeben. Eine Vorbildfunktion für andere Verkehrsteilnehmer und Verkehrsträger, weiß Präsident Rohde. Hinzu kommt die bundesweite Auszeichnung von Fahrern mit dem Zertifikat "Sicher und Unfallfrei", die Busfahrer noch mehr als bisher mit ihrem Beruf identifizieren soll.
Die Verbraucheraufklärung der letzten Monate war insbesondere durch umfangreiches Informationsmaterial gekennzeichnet, das Aussagen zur Sicherheit und Seriosität von Busreisen gibt. Seit kurzem können neben einer Sicherheits-Checkliste für Busfahrer auch Bordinformationen in den Reisebussen ausgelegt werden. Diese ähneln denen in Flugzeugen und beinhalten Anweisungen für den Notfall.
Vertretbares Qualitätssiegel derzeit nicht in Sicht
Rohde verwies in diesem Zusammenhang auf die mögliche Einführung eines Siegels oder Zertifikates und kam zum vorläufigen Ergebnis, "dass kein Konzept vorliegt, dass mehr Sicherheit geben kann." Obwohl der bdo im vergangenen Jahr auch für ein solches Unterfangen eintrat, steht er derzeit einer solchen Maßnahme eher skeptisch gegenüber. Sachliche und wirtschaftliche Gründe geben dafür den Ausschlag. Die Einführung einer solchen Maßnahme kostet momentan ein Kleinunternehmen mehrere tausend Euro jährlich. Ohne eines realen Nachweises, dass dadurch die bereits hohe Sicherheit von Busreisen noch weiter gesteigert werden könnte. "All das, was vermeintlich neu in die Branche kommt, wird von unseren Unternehmen seit vielen Jahren bereits praktiziert", berichtet Präsident Rohde.
Die vielfältigen Aktivitäten unterschiedlichster Anbieter sollen nunmehr auf Wunsch des Bundesverkehrsministeriums unter dem Dach des DVR zusammengeführt werden. Der bdo begrüßt diese Maßnahme und hofft, dass es gelingen wird an einer einheitlichen und tragfähigen Lösung zu arbeiten. "Einer Lösung, die unbürokratisch, finanziell überschaubar und ein tatsächliches Plus an Sicherheit bringen kann", so Präsident Rohde.
Präsident Rohde stellte unmissverständlich klar, dass der Verband sich gegen Bestrebungen wehren wird, die wirtschaftlich eindeutig zu Lasten der Unternehmer gehen, kein messbares Plus an Qualität und Sicherheit bieten und der Profilierung einzelner Personen oder Gruppen dienen sollten.
Auch Bundesregierung, Bundesverkehrsminister und einzelne Landesminister begrüßten wiederholt ein Gütesiegel oder Zertifikat. Aber bereits hier treten die ersten Widersprüche auf. Bisher liegen keine Aussagen vor, dass Bund und Länder zertifizierte Busunternehmen fördern oder in der Auftragsvergabe favorisieren.
Bundestagsabgeordnete sind zudem seit Jahren schriftlich angewiesen, bei Besucherreisen aus dem Wahlkreis zum Deutschen Bundestag, dem billigsten Busunternehmen den Zuschlag zu erteilen. Präsident Rohde: "Das sind kaum zu lösende und auch nicht zu verantwortende Widersprüche. Qualität hat ihren Preis! Ein zusätzliches Siegel oder Zertifikat einen noch höheren, da die Kosten dafür wieder erwirtschaftet werden müssen."
Erschwerend kommt hinzu, dass mit der EU-Erweiterung osteuropäische Unternehmen Zugang zum nationalen Markt erhalten. Bereits heute gehen Experten vom Verlust von mehreren Tausend Arbeitsplätzen aus, da Lohnkostenunterschiede von 1:7 nicht zu überbrücken sind.
Bereits heute verfügt Deutschland über ein hohes Maß an Gesetzen und Verordnungen mit europaweiten Vorbild. Auch die nationale Kontrolldichte ist mit weit mehr als 400 Prozent weit über dem europäischen Durchschnitt.
Die hohe Sicherheit von Busreisen steht deshalb seit langem auf mehreren Komponenten: Freiwillige Maßnahmen der Unternehmen, hohe Kontrolldichte und ausgefeiltes Regelwerk.
Abschließend dankte Präsident Rohde Bundesverkehrsminister, Dr. Manfred Stolpe, insbesondere für sein besonnenes Auftreten während der schweren Unfallserie. Der Dank richtete sich auch an die Mitglieder der Bundestagsausschüsse für Verkehr und Tourismus.
Jährlich nutzen statistisch rund 100 Millionen Gäste den Reisebus. Seit 1991 kamen auf deutschen Straßen zirka 250 Menschen bei Unfällen mit Bussen ums Leben kamen. Zum Vergleich: Bei Unfällen mit dem Pkw starben im gleichen Zeitraum mehr als 70.000 Menschen. Das Tötungsrisiko ist beim Bus 15mal geringer als beim Flugzeug und viermal geringer als bei der Bahn. Die Beteiligung eines Omnibusses an allen Unfällen mit Personenschaden liegt bei nur 1,6 Prozent. Lediglich 10 Prozent der Reisebus- und Schulbusfahrer sind bei Unfällen mit Personenschaden Hauptverursacher. Laut Statistik sind technische Mängel oder Wartungsmängel bei Unfällen mit Getöteten praktisch nicht gegeben. Bei Unfällen mit Personenschäden sind dies 60 Fälle im Vergleich zu circa 9.000 Fällen bei anderen Fahrzeugarten.
Für Rückfragen steht Ihnen Martin Kaßler (Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit / Pressesprecher) gern zur Verfügung: Tel.: 030 / 238 28 3730 (Tagungsbüro im Radisson SAS Hotel).
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