Kinder und Katastrophen: Eine Herausforderung für Eltern
Kinder und Katastrophen: Eine Herausforderung für Eltern
Magdeburg, 23.Dezember 2024 - Die Bilder des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vom vergangenen Wochenende sind in den Medien allgegenwärtig. Sie lassen uns hilflos, fassungslos und auch ängstlich zurück. Die AOK Sachsen-Anhalt gibt Orientierung, wie Kinder und Jugendliche mit diesen Bildern und Informationen umgehen und wie Eltern sich am besten verhalten könnten.
Eltern wollen ihren Kindern Sicherheit und Geborgenheit geben - gerade in unruhigen Zeiten. Doch auch an ihnen gehen die Bilder in den Medien natürlich nicht spurlos vorbei.
Eigene Ängste kontrollieren
Wichtig ist dabei, dass Eltern ihre Ängste nicht auf ihre Kinder übertragen, denn Kinder haben ein feines Gespür für die Gemütslage ihrer Eltern - auch wenn sie ihre Gefühle vielleicht nicht äußern. Eltern sollten daher zunächst vor allem für ihre eigene psychische Stabilität sorgen. Dabei hilft es, bewusst im Hier und Jetzt zu bleiben und sich zum Beispiel nur einmal am Tag in den Medien zu informieren. Auch Sport und Bewegung zum Stressabbau kann Eltern helfen, die eigenen Ängste nicht eskalieren zu lassen. Denn Eltern haben eine wichtige Vorbildfunktion.
Mit Kindern über schlimme Ereignisse sprechen
Der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt und seine Folgen sind schrecklich. In einigen Fällen sind vielleicht sogar Angehörige betroffen. Eltern müssen mit ihren Kindern darüber sprechen. Dafür können sie Hilfsangebote wie beispielsweise Telefonhotlines oder Broschüren, wie zum Beispiel die des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe nutzen. Wichtig ist es zunächst darauf zu warten, dass die Kinder von sich aus über das Thema sprechen wollen. Eventuell werden auch Veränderungen am Kind wahrgenommen, die sich darauf zurückführen lassen. Dann ist es sinnvoll, dem Nachwuchs ein direktes Gesprächsangebot zu machen. So erfährt man, wie die Kinder auf die Situation blicken und sie bewerten.
Den sozialen Zusammenhalt fördern
Dabei sollten Eltern aber darauf achten, dass sich die Ereignisse nicht negativ auf das soziale Miteinander in der Schule, im Verein oder in der Nachbarschaft auswirken. Eltern sind hier Vorbilder, indem sie zeigen, dass man immer respektvoll und wertschätzend miteinander umgeht, egal woher jemand kommt. Frieden beginnt im Kleinen.
Aktivitäten helfen
Daneben sollte das Leben weitergehen, Belastendes und Bedrückendes nicht den ganzen Raum einnehmen. Für manche ist es auch hilfreich zu erleben, dass auch andere bedrückt sind oder gar trauern: So kann man gemeinsam einen Gedenkort aufsuchen und dort eine Kerze aufstellen, Blumen oder selbstgeschriebene Gedanken dort ablegen und kurz innezuhalten. Dabei zu sehen, dass viele andere es ebenfalls tun, schafft ein Gefühl der Gemeinschaft und des Zusammenhalts. Es zeigt, dass man mit all dem nicht allein ist.
Beruhigend wirkt außerdem, wenn die Eltern vertraute Routinen der Kinder wie Sport- und Freizeitaktivitäten beibehalten. Sie sollten auch weiterhin schöne und unbeschwerte Dinge mit ihren Kindern unternehmen, wie zum Beispiel einen Familienausflug oder einen Kinobesuch. Man darf lachen, sich freuen und Weihnachten feiern - auch wenn etwas Schlimmes passiert ist.
Interview mit Anja Böhm, Psychologin bei der AOK Sachsen-Anhalt
Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg fragen sich viele Eltern, wie sie mit ihren Kindern am besten über solche Ereignisse sprechen können. Diplom-Psychologin Anja Böhm von der AOK Sachsen-Anhalt gibt Tipps im kurzen Interview.
Wie nehmen Kinder Katastrophen wahr und wie unterscheidet sich ihre Sichtweise von der der Erwachsenen?
Erwachsene haben eine Menge Vor- und Hintergrundwissen zu Themen und außerdem auch schon einiges an Lebenserfahrung. Sie reagieren auf Katastrophen zwar durchaus auch erst mal emotional. Sie haben aber gelernt, die Informationen danach einzuordnen. Das können Kinder noch nicht.
Sie schauen deshalb in solchen Situationen ganz genau auf die Erwachsenen, um zu lernen. Das passiert auch unbewusst. Gerade die Kleinsten können sich viele Dinge noch nicht erklären, haben aber sehr feine Antennen für unsere Gefühlslage. Zusätzlich nutzen sie ihre Fantasie, um sich Dinge zu erklären.
Radio und Fernsehen sollten deshalb mit Bedacht eingeschaltet werden. Auch in Gesprächen mit Familie und Freunden ist es wichtig, darauf zu achten, dass die Kinder nichts aufschnappen, was sie stark verunsichern könnte. Kinder im Schulalter haben zwar schon mehr Wissen zum Thema, können aber die Komplexität der Nachrichten noch nicht verstehen. Je älter die Kinder werden, desto mehr informieren sie sich selbst. Gerade soziale Netzwerke setzen dabei stark auf Emotionen, was Ängste verstärken kann. Es ist also wichtig, über die Aufbereitung von Medieninhalten und über einen geeigneten Medienkonsum zu sprechen.
Wie lassen sich schwerwiegende Nachrichten am besten Kindern bereden?
Wichtig ist es zunächst darauf zu warten, dass die Kinder von sich aus über das Thema sprechen wollen. Eventuell werden auch Veränderungen am Kind wahrgenommen, die sich darauf zurückführen lassen, dann ist es sinnvoll ein direktes Gesprächsangebot zu machen. So erfährt man, wie die Kinder gerade auf die Situation blicken und sie bewerten. An diesen Erfahrungsschatz lässt sich anknüpfen. Dabei geht es nicht darum, eine heile Welt zu vermitteln, sondern eher darum Geschehnisse ruhig und sachlich zu erklären und einzuordnen. Eltern sollten offen ansprechen, wenn sie selbst Informationslücken haben. Die Antworten können sie sich auch gemeinsam erarbeiten. Wenn sich beim Kind der Wunsch entwickelt zu helfen, sollten Eltern es dabei unterstützen. Von der Ohnmacht ins Handeln zu kommen, ist auch für sich selbst sehr heilsam.
Welche TV-Sendungen sind empfehlenswert, um gemeinsam als Familie belastende Nachrichten aufzuarbeiten?
Beispielsweise durch die Sendung „Logo“ kann man mit Kindern im Grundschulalter sehr gut über aktuelle Geschehnisse ins Gespräch kommen. Ab etwa zehn Jahren können auch zusammen die herkömmlichen Nachrichten geschaut werden, wenn man sie dann später gemeinsam diskutiert und einordnet.Psychologin, M.Sc. Anja Böhm von der AOK Sachsen-Anhalt. Foto: Stephan Deutsch / AOK Sachsen-Anhalt.
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