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Osteoporose - die Geschichte vom eingebildeten Kranken?

Paderborn (ots)

Wer am 7. August die Sendung Monitor gesehen
hat, weiß Bescheid: die Krankheit Osteoporose wurde von der
Pharmaindustrie erfunden! Doch bei einer ernsthaften
Auseinandersetzung mit dem Thema taucht schnell die Frage auf, warum
solch eine Sendung dafür genutzt wird, Werbung für ein reißerisches
Buch zu machen, statt - gemäß des öffentlich rechtlichen Auftrags der
ARD - die Bevölkerung ausgewogen und sachlich richtig zu informieren
und damit das dringend notwendige Gesundheitsbewußtsein und die
Eigenverantwortung des Einzelnen zu fördern?!
Denn der Blick in die Welt der Osteoporose-Betroffenen zeigt ein
erschreckendes Bild: Alltäglichkeiten wie das Überstreifen eines
Mantels werden häufig zur Qual. Eingekauft wird nur noch in kleinen
Mengen. Die Wohnung wird zum unsicheren Terrain: selbst die
Türschwelle oder die Teppichkante können zur Stolperfalle werden. Die
Angst vor einem Sturz und damit vor einem Knochenbruch, vor der
drohenden Immobilität im schlimmsten Fall sogar Pflegebedürftigkeit
und vor den unerträglichen Schmerzen wird lebensbeherrschend.
Einzelfälle? Eine Randgruppe? Tatsächlich ist die Osteoporose ein
weltweit bedeutendes sozialmedizinisches Problem mit weitreichenden
Folgen für die Betroffenen. Kurz: eine Volkskrankheit. Monitor
spricht der Osteoporose dieses Etikett mit der Begründung ab, nur
1,2% der über 75-jährigen wären von Schenkelhalsfrakturen betroffen.
Es wurde aber "versäumt", darauf hinzuweisen, daß es sich dabei
erstens um die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen im Jahre 1995
handelt und zweitens daß nicht nur Schenkelhalsfrakturen, sondern
auch Wirbelbrüche und andere Frakturen schreckliche Folgen des
Knochenschwundes sein können.
Insgesamt steigt die Zahl der an Osteoporose Erkrankten ständig
an: Bereits 1998 veröffentlichte das Europäische Parlament einen
Report zur Situation der Osteoporosekranken in Europa mit
erschreckenden Ergebnissen. Die Gesamtzahl der osteoporosebedingten
Frakturen innerhalb der EU lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
schon bei mehr als 1 Million pro Jahr, davon etwa 400.000
Knochenbrüche des Oberschenkelhalses und 400.000
Handgelenksfrakturen. Alleine aufgrund der zunehmenden Überalterung
der Bevölkerung wird sich die Gesamtzahl bis zum Jahr 2050
voraussichtlich verdoppeln.
Auch das Statistische Bundesamt in Deutschland kommt zu ähnlichen
Ergebnissen und weist darauf hin, daß die Behandlung von
osteoporotischen Frakturen und ihrer Folgeschäden in Deutschland
jährliche Kosten von circa 4,5 bis 5 Milliarden Euro verursachen.
"Vermutlich ließe sich ein Teil der für die Therapie der manifesten
(klinisch erkennbaren) Osteoporose heute erforderlichen Kosten
vermeiden, wenn die Möglichkeiten zur Prävention und Frühbehandlung
gezielter genutzt würden. Interventionsprogramme zur Vermeidung
hüftgelenksnaher Frakturen zeigen unter anderem, dass sich die
Ausgaben für die stationäre Behandlung wirksam senken lassen. Mit
Sicherheit würde aber die Bevölkerung einen Gesundheitsgewinn
erfahren, wenn Mittel aus der Behandlung in die Prävention
umgeschichtet würden" (Zitat Gesundheitsbericht für Deutschland
1998).
Stichwort Prävention: Osteoporose ist (glücklicherweise) eine
Erkrankung, die durch rechtzeitige therapeutische Maßnahmen wie
gesunde Ernährung (Versorgung mit Calcium und Vitamin D), ausreichend
geeigneter Bewegung und ggf. medikamentöse Therapie in Schach
gehalten werden kann, darin sind sich die Experten einig.
Voraussetzung dafür sind geeignete Früherkennungsmaßnahmen, wie sie
in den Leitlinien des Dachverbandes Deutschsprachiger
Wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie (DVO) sowie in den
Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen
Ärzteschaft im Frühjahr 2003 veröffentlicht wurden und
voraussichtlich ab Frühjahr 2004 auch in den Leitlinien für
Osteoporose-Patienten zu lesen sein werden.
Anders als von den Autoren der Monitorsendung dargestellt, ist die
Knochendichtemessung dabei kein willkürlich von der WHO festgelegter
wenig aussagekräftiger Wert, sondern unabhängiger Risikofaktor für
die Knochenbrüchigkeit, der invers mit dem Knochenbruchrisiko
korreliert. Die endgültige Diagnose setzt sich aus dem
Knochendichtebefund und der Interpretation der klinischen
patientenbezogenen Risikofaktoren zusammen. Vergleichbar mit der
Blutdruckmessung als einer von mehreren Methoden zur Erkennung des
Risikos von kardiovaskulären Erkrankungen ist die
Knochendichtemessung dabei nur ein Mosaikstein!
In Zeiten in denen Menschen dazu aufgerufen sind, sich mehr um
ihre Gesundheit zu kümmern, ist eine solche zynische, unzureichend
recherchierte Sendung nicht nur ärgerlich, sondern eine Verhöhnung
von Ärzten, Wissenschaftlern und Patientenorganisationen wie das
Netzwerk-Osteoporose e. V. (NWO), die sich seit vielen Jahren
bemühen, sachlich kompetente Aufklärungsarbeit zu betreiben, und für
deren Arbeit absolut kontraproduktiv.
Vor diesem Hintergrund würden positive Nachrichten sicher eher zur
Motivation der Betroffenen und anderer Beteiligter beitragen. Wichtig
wäre z. B. eine umfassende Darstellung der vielfältigen Aktivitäten
von Osteoporose-Selbsthilfegruppen. Diese schaffen es nämlich trotz
der völlig unzureichenden finanziellen Ausstattung durch die
Krankenkassen (0,51 EURO pro Versicherten pro Jahr) nicht nur für
Osteoporose-Patienten unentbehrliche Informationstools - und
schulungen auf die Beine zu stellen sondern darüber hinaus auch noch
Kosten einzusparen.

Pressekontakt:

Karin G. Mertel
1. Vorsitzende Netzwerk-Osteoporose
Geschäftsstelle:
Kamp 21
33098 Paderborn
Telefon + Fax: 05251 / 28 05 86

email: Netzwerk-Osteoporose@t-online.de
Internet: www.netzwerk-osteoporose.de

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