WVZ Wirtschaftliche Vereinigung Zucker
Zuckerwirtschaft für Reform mit Augenmaß
Brüssel (ots)
Die Zukunft der europäischen Zuckerrübenanbauer und Zuckerfabriken hängt in hohem Maße von den politischen Weichenstellungen der kommenden Monate ab. Wie der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker, Dr. Hans-Jörg Gebhard, in Brüssel erklärte, erwartet die Branche von der EU-Kommission und vom Ministerrat die Fortsetzung einer EU-Zuckerpolitik, die nicht nur den Interessen zahlreicher Entwicklungsländer, sondern ebenso den heimischen Produzenten gerecht wird. Seit der Vorlage der so genannten Fischler-Vorschläge vom 14. Juli 2004 befinde sich die Zuckerwirtschaft in permanenter Sorge um die Zukunft ihrer Betriebe und der Arbeitsplätze in diesem Sektor.
In Deutschland hängen 48 000 landwirtschaftliche Betriebe, 26 Zuckerfabriken und mehr als 6 500 Arbeitsplätze direkt vom Zuckerrübenanbau ab. Mindestens weitere 15 000 Arbeitsplätze kommen im Umfeld noch dazu. Die deutschen Rüben- und Zuckerproduzenten erwirtschaften einen Umsatz von rund 3,2 Mrd. Euro, im vergangenen Jahr wurden bei einer sehr guten Ernte insgesamt 4,3 Mio. t Zucker erzeugt. In der EU 25 werden von 320 000 landwirtschaftlichen Betrieben mit Zuckerrüben und rund 230 Zuckerfabriken jährlich ca. 20 Mio. t Zucker produziert. Der Zuckerverbrauch beträgt in der EU rund 16 Mio. t.
Die Zuckerwirtschaft wird durch die bisher diskutierten Ansätze zur Reform der Zuckermarktordnung vor gewaltige strukturelle und wirtschaftliche Herausforderungen gestellt. Als Folge einer Reform, die nach den Vorstellungen der EU-Kommission durch starke Preis- und Mengeneinschnitte gekennzeichnet sein soll, wird es zur Schließung zahlreicher Zuckerfabriken kommen. Dieser Anpassungsdruck wird durch die künftigen Verpflichtungen im Rahmen der WTO und durch die unbegrenzten Einfuhren aus den am wenigsten entwickelten Ländern noch verstärkt.
Bereits kurzfristig sind möglicherweise alleine durch das von den drei großen Zuckerproduzenten Brasilien, Thailand und Australien gegen die EU betriebene WTO-Zuckerpanel Mengeneinschnitte um bis zu 5 Mio. t bzw. 25 % der bisherigen EU-Erzeugung zu erwarten. Durch die Öffnung des europäischen Marktes für zollfreie Zuckereinfuhren aus den am wenigsten entwickelten Ländern werden gleichzeitig Importe in einer Größenordnung von bis zu 4,5 Mio. t Zucker wahrscheinlich, die sich ebenfalls in einer Reduzierung der europäischen Erzeugung niederschlagen werden. Damit könnten im Laufe der kommenden Jahre rund 40 % der heimischen Zuckererzeugung in Frage gestellt sein. Hinzu komme die negative Wirkung aus der bislang diskutierten Preissenkung um 37 % für Zuckerrüben und 33 % für Zucker.
Vor diesem Hintergrund bezeichnete Gebhard es als absolut unverständlich, dass die Kommission bisher nicht den geringsten Ansatz unternommen hat, diesem außerordentlich negativen Szenario zu begegnen. Nicht nur die europäische Zuckerwirtschaft, sondern auch die Zucker produzierenden AKP-Staaten und die am wenigsten entwickelten Länder (LDC) fordern seit langem ein umfassendes Mengenmanagement. Zahlreiche Entwicklungsländer befürchten bei ungeregelten Einfuhren einen starken Einbruch der Erlöse auf dem europäischen Zuckermarkt auf ein Niveau, das selbst in diesen Ländern trotz der niedrigeren Standards nicht mehr kostendeckend ist. Eine Zuckerreform, die wachsenden Einfuhren ausschließlich durch starke innergemeinschaftliche Preissenkungen begegnet, lehnen deshalb sowohl die europäischen Erzeuger als auch die Entwicklungsländer in großer Geschlossenheit ab.
Der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker betonte, dass niemand - auch nicht die Zuckerwirtschaft - die Notwendigkeit einer Anpassung bzw. Reform der Zuckermarktordnung in Frage stelle. Allerdings gingen die Einschätzungen hinsichtlich des erforderlichen Reformumfangs weit auseinander. Die Kommission befinde sich zusammen mit einigen wenigen Mitgliedstaaten in einer klaren Minderheit. Das Europäische Parlament, der Wirtschafts- und Sozialausschuss, die Mehrheit der Mitgliedstaaten, die Entwicklungsländer und die Zuckerwirtschaft treten für eine Reform mit Vernunft und Augenmaß ein.
Als Kernpunkte einer vernunftorientierten Reform bzw. als unabdingbare Voraussetzung für eine nachhaltige Zuckererzeugung in Europa nannte Gebhard die Einstufung von Zucker als sensibles Produkt bei WTO, die Rückkehr zu einem umfassenden Mengenmanagement unter Einbeziehung sämtlicher Präferenzeinfuhren, das Verbot von Dreiecksgeschäften im Rahmen der Alles außer Waffen-Initiative, die Schaffung eines Strukturfonds zur Reduzierung der Produktionsquoten, die Beibehaltung des bisherigen Interventionsmechanismus und eine EU-einheitliche Ausgestaltung der geplanten Ausgleichsmaßnahmen für die Rübenerzeuger. Gefordert wird ferner Planungssicherheit durch eine lange Laufzeit der neuen Zuckermarktordnung.
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