Vodafone Stiftung Deutschland gGmbH
Verlorene Jahre - Schüler mit Migrationshintergrund kommen oft erst auf Umwegen zu höheren Bildungsabschlüssen
Düsseldorf (ots)
Studie der Universität Düsseldorf untersucht im Auftrag der Stiftung Mercator und der Vodafone Stiftung die Erfahrungen von Migranten im deutschen Bildungssystem / Hohe Bildungsziele - aber oft wenig Möglichkeiten der Unterstützung durch die Eltern / Es kommt vor allem auf die einzelnen Lehrkräfte an / Migranten verinnerlichen oft eine Defizitperspektive: Sie sehen ihren Migrationshintergrund weniger als Chance sondern eher als Problem
Menschen mit Migrationshintergrund verlieren auf dem Weg durch das deutsche Bildungssystem oft wertvolle Lebensjahre. Über den gesamten Bildungsverlauf von der Grundschule bis zum Studium werden die Potenziale von Kindern mit Migrationshintergrund systematisch unterschätzt. Oft dauert es lange, bis ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten erkannt werden und die richtigen Weichenstellungen erfolgen - wenn überhaupt. Das zeigen die ersten Ergebnisse der Studie "Bildung, Milieu, Migration" der Universität Düsseldorf, die von der Stiftung Mercator und der Vodafone Stiftung gefördert wird und heute in Berlin präsentiert wurde. Die Gründe für den verzögerten Bildungsweg liegen nicht nur in oft mangelhaften Sprachkenntnissen und einer Zurückstufung der Schulklassenzugehörigkeit, wenn die Zuwanderung während der Schullaufbahn erfolgt; sie liegen auch in einer mangelnden Information der Eltern über den vergleichsweise komplizierten Aufbau des deutschen Bildungssystems sowie in weiterhin bestehenden Vorurteilen bei Schulen und Behörden. Als Folge durchlaufen Schüler mit Migrationshintergrund viele Umwege, Schleifen, Sackgassen und Neuorientierungsphasen.
"Die Stärken von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund werden im Bildungssystem immer noch zu wenig gefördert. Das zeigt die aktuelle Studie. Um die bestehende Bildungsungleichheit zu verringern, ist es daher zentral - neben der Behebung der sozialen und sprachlichen Nachteile - einen Fokus auf die Förderung der Stärken zu legen", erklärt Prof. Dr. Bernhard Lorentz, Vorsitzender der Geschäftsführung der Stiftung Mercator, zu den ersten Ergebnissen der Studie. "Die breit angelegte Untersuchung der Einstellungen und Erfahrungen von Eltern aus ganz unterschiedlichen Milieus zeigt, wo diese Stärken liegen, hier müssen wir in Zukunft verstärkt ansetzen."
Eltern mit Migrationshintergrund brauchen mehr Unterstützung
Die Studie zeigt deutlich, dass Eltern mit Migrationshintergrund oft große Anstrengungen unternehmen, um ihren Kindern eine bessere Bildung zu ermöglichen, sie dabei aber häufig an ihre Grenzen stoßen. Vielen von ihnen fehlt nicht nur das Geld für die heute fast obligatorische Nachhilfe, sondern oft auch das Wissen darüber, wie sie ihren Kindern in der Schule am besten helfen können. Ein großer Teil dieser Eltern wünscht sich hierbei mehr Unterstützung.
Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland, zur Studie "Bildung, Milieu, Migration" der Universität Düsseldorf im Lichte der neuesten PISA-Ergebnisse: "Laut den neuesten PISA-Ergebnissen haben sich die Leistungen der Schüler in Deutschland zwar erfreulich verbessert, aber immer noch bleiben Schüler mit Migrationshintergrund leider oft hinter ihren Mitschülern ohne Migrationshintergrund zurück. Um dies ändern zu können, muss man jedoch zunächst einmal die Migranten selbst fragen, auf welche Hürden sie im deutschen Bildungssystem stoßen. Unsere Studie hat genau dies getan, damit wir der Politik, aber auch uns allen in der Gesellschaft aufzeigen können, wo wir ansetzen müssen, um Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund dabei zu helfen, ihre Potenziale voll entfalten zu können und somit ihre schulischen Leistungen weiter zu verbessern."
Die verinnerlichte Defizitperspektive erschwert den Bildungsweg
Laut der Studie rücken viele Migranten ihre Defizite, wie mangelnde Sprachkenntnisse, in den Vordergrund und sehen ihren Hintergrund nicht als Chance an. Sie haben eine Problemperspektive verinnerlicht und wollen beispielweise selbst ihre Kinder nicht auf Schulen mit einem hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund schicken.
Entscheidend sind die einzelnen Lehrer
Ungeachtet aller Debatten über die Strukturen unseres Bildungssystems zeigen die Berichte der Migranten in der Studie immer wieder: Der Erfolg in der Schule hängt in hohem Maße von den einzelnen Lehrern ab. Dies gilt sowohl im negativen Sinne, wenn Kinder deutliche Anzeichen für Diskriminierung im Unterricht spüren, als auch im positiven Sinne, wenn Lehrer sich besonders stark für Schüler mit Migrationshintergrund engagieren.
Über die Studie "Bildung, Milieu, Migration"
Die Studie "Bildung, Milieu, Migration" greift erstmals das Gesellschaftsmodell der sozialen Migranten-Milieus des Heidelberger Sinus-Instituts für den Bildungsbereich auf. Damit wird es möglich, die sehr unterschiedlich geprägten Lebenswelten etwa der "Religiös Verwurzelten" oder der "Kosmopolitisch Intellektuellen" differenzierter in den Blick zu nehmen und die jeweils typischen Bildungserfahrungen und -einstellungen herauszuarbeiten. Auch wird die große Gruppe der "Adaptiv Bürgerlichen" in ihrem Bestreben sichtbar, zur Mitte der deutschen Gesellschaft dazu zu gehören und den Kindern den bestmöglichen Start in ein privat und beruflich gut integriertes Leben zu ermöglichen. Die Studie wird von der Stiftung Mercator und der Vodafone Stiftung gefördert. Für den nun vorliegenden Zwischenbericht wurden 120 problemzentrierte Tiefeninterviews mit Eltern von Schülern mit Migrationshintergrund ausgewertet. Im Zentrum des Forschungsinteresses stehen die jeweiligen Bildungserfahrungen der Interviewpartner sowie die mit den Bildungskarrieren der Kinder verbundenen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Im kommenden Jahr wird die Studie mit einer Repräsentativerhebung fortgesetzt, in der die quantitative Bedeutung der ermittelten Erfahrungen und Einstellungsmuster festgestellt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.stiftung-mercator.de/milieu und unter www.vodafone-stiftung.de/presse
Ausgewählte Videointerviews mit den Studienteilnehmern finden Sie unter: http://www.youtube.com/StiftungMercator und unter www.youtube.com/vodafonestiftung
Hintergrundinformationen finden Sie unter: www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/sozwiss/bildungsforschung-und-bildungsmanagement/projekte/bildung-migration-milieu/
Über die Stiftung Mercator:
Die Stiftung Mercator gehört zu den großen deutschen Stiftungen. Sie initiiert und unterstützt Projekte für bessere Bildungsmöglichkeiten an Schulen und Hochschulen. Im Sinne Gerhard Mercators fördert sie Vorhaben, die den Gedanken der Weltoffenheit und Toleranz durch interkulturelle Begegnungen mit Leben erfüllen und die den Austausch von Wissen und Kultur anregen. Die Stiftung zeigt neue Wege auf und gibt Beispiele, damit Menschen - gleich welcher nationalen, kulturellen und sozialen Herkunft - ihre Persönlichkeit entfalten, Engagement entwickeln und Chancen nutzen können. So will sie Ideen beflügeln. Ihre Arbeitsweise ist geprägt von einer unternehmerischen, internationalen und professionellen Haltung. Dem Ruhrgebiet, der Heimat der Stifterfamilie, fühlt sie sich in besonderer Weise verbunden.
Über die Vodafone Stiftung Deutschland:
Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv "Erkennen. Fördern. Bewegen." unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer Thinktank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung, Integration und soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den gesellschaftlichen Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer aktiven Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es der Vodafone Stiftung Deutschland vor allem darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.
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E-Mail: julia.heer@stiftung-mercator.de,
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