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Berliner Morgenpost: Bayern hat seinen Stolz verloren - Kommentar

Berlin (ots)

Die Wissenschaft unterscheidet zwei Sorten von
Volksvertretern: Darstellungs- und Entscheidungspolitiker, also 
Popstar und Macher. Ein wirklich Großer beherrscht beide Rollen, die 
meisten Politiker dagegen keine. Welch brillanter Darsteller er ist, 
hat Horst Seehofer auf dem CSU-Parteitag bewiesen, der ihn zum 
Vorsitzenden kürte. Er verzichtete auf jede große Geste, sondern 
präsentierte sich als demütiger Diener des Volkes. Ein wohltuender 
Kontrast zum Getapse seines Vorgängers und zum Prunkgehabe Edmund 
Stoibers, des intriganten Ruinators, der immer wie ein Halbstarker 
wirkte, der das Röhren eines Motorrads imitierte, obwohl er nur auf 
einem Bonanza-Rad hockte.
Stoibers Erbe ist Seehofers Aufgabe, und die ist nicht gering: Der 
Neue hat eine zerfahrene Partei übernommen, vor allem aber ein 
zutiefst verunsichertes Bundesland, das seine Finanzkompetenz 
verloren hat, seine Bedeutung in Berlin und mithin seinen Stolz.
Stoibers hasenfüßige Flucht aus der Bundesregierung 2005 ramponierte 
erstmals die gefühlte Größe Bayerns. Stoibers Versagen im Umgang mit 
der harmlosen Frau Pauli löste die Führungskrise der CSU aus. 
Stoibers Finanzminister Erwin Huber hatte die Landesbank nicht im 
Griff und ist für ein, derzeit, Sechs-Milliarden-Loch verantwortlich.
Und womöglich kommt noch mehr. Treffen die immer lauter werdenden 
Gerüchte zu, dann schlummern noch ein paar schwarze Vermächtnisse in 
den CSU-Kellern.
Fakt ist: In Stoibers letzter Amtszeit sind Bayern und die CSU zur 
Seppel-Truppe verkommen, die sich als wenig krisenfest erweist - 
ausgerechnet in einer Zeit, da die Ökonomie stottert wie nie. BMW 
läuft nicht gut, der deutsche Stolzkonzern Siemens ist erschüttert, 
die vielen Bundesmilliarden, die zur Rettung der beiden Münchner 
Geldinstitute Landesbank und Hypo Real Estate vonnöten sind, 
verbieten es den Bayern, je wieder über Länderfinanzausgleich oder 
Soli zu meckern.
Um das zutiefst erschütterte Bayern rundum zu erneuern, muss Seehofer
zuerst einmal Stoiber erledigen. Dann aber gehen die Probleme erst 
richtig los. Denn in Stoibers royalem Schleimersystem ist wenig 
selbstbewusster Nachwuchs gediehen. Weder für die Münchner noch für 
die Berliner Regierung kann Seehofer aus einem Reservoir strahlender 
Ministeranwärter wählen. Der weithin unbekannte Freiherr zu 
Guttenberg, Fachgebiet Außen- und Sicherheitspolitik, soll angeblich 
Seehofer als Minister fürs Grüne beerben - zusammen mit 
Bundeswirtschaftsminister Glos ein an verlegener Harmlosigkeit schwer
zu überbietendes Duo. Für Seehofer wäre es schon ein Erfolg, wenn er 
den derzeitigen bayerischen Gerümpelhaufen in eine halbwegs 
ordentliche Baustelle verwandelt. Dazu muss der Darstellungspolitiker
allerdings seine Verantwortung als Entscheider wahrnehmen.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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