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Berliner Morgenpost: Die große Koalition regiert nicht mehr - Kommentar

Berlin (ots)

In einem Jahr ist alles vorbei. Doch noch müssen
CDU, CSU und SPD in der großen Koalition das Land zehn Monate 
gemeinsam regieren. Es ist zu erwarten, dass es zehn sehr lange und 
zähe Monate werden. Einen Vorgeschmack darauf liefern die Parteien 
bereits. Kaum verkünden sie den Bürgern stolz, sie hätten endlich 
doch noch ein Problem vom Tisch geräumt, blasen sie auch schon wieder
zum Rückzug. Eigentlich sollte vor den Landtagswahlen im Saarland, in
Thüringen und Sachsen (alle am 30. August) und der Bundestagswahl 
(27. September) zumindest noch bis zum Frühjahr 2009 in Berlin 
ordentlich regiert werden. Doch nun ist Hessen dazwischen gekommen 
und die dortige Neuwahl im Januar. Ihr Ergebnis wird von den Parteien
bereits als wichtiger Stimmungsindikator für die Erfolgsaussichten 
auch bei der Bundestagswahl eingestuft. Also wird der Wahlkampf 
vorgezogen, das gemeinsame Regieren früher als eigentlich geplant 
weitgehend eingestellt. Um die eigene Klientel vor unliebsamen 
Entscheidungen zu bewahren, andererseits den erhofften neuen 
Koalitionsaspiranten nicht über Gebühr schon vorab zu vergrätzen.
Dafür liefern die Schwarzen und Roten in diesen Tagen gleich drei 
Belege. Kaum hatten die sich endlich auf einen Kompromiss zur 
Erbschaftssteuer geeinigt, melden sich die Bedenkenträger schon 
wieder zu Wort. In diesem Fall vor allem Abgeordnete aus der CSU. Sie
kritisieren die Regelung einerseits inhaltlich (zu Recht, weil zu 
kompliziert und deshalb ein willkommenes Beschäftigungsprogramm für 
Juristen), andererseits aber auch aus Rücksicht auf die FDP. Der neue
Koalitionspartner in München lehnt die Neuregelung strikt ab.
 Viel fataler und kennzeichnend für die derzeitige Stimmungslage 
innerhalb der großen Koalition sind die beiden anderen Rückzieher. 
Auf Druck aus der Partei und der Bundestagsfraktion musste die SPD- 
Führung die Koalitionsvereinbarung über den Einsatz der Bundeswehr 
auch im Innern brechen. Damit desavouierte sie nicht nur ihren 
Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Sie beugte sich auch dem 
linken Flügel in der eigenen Partei und nahm wahltaktisch 
vorausschauend Rücksicht auf den in Hessen wie im Bund ersehnten 
künftigen grünen Bündnispartner. Wiederum auf Druck der SPD währte 
der von der Koalition beschlossene steuerliche Kaufanreiz für neue 
Autos kaum 24 Stunden.
 Verlässliches Regieren stellt sich den Bürgern anders dar. Sie 
werden sich wie schon vor früheren Wahlschlachten auf Bundesebene 
wohl wieder damit abfinden müssen, dass die Parteien weniger die 
Interessen des Landes als vielmehr die ihrer eigenen Partei 
hinsichtlich der besten Chancen für den 27. September im Blick haben.
Das ist in diesen Zeiten besonders bedenklich und gefährlich. 
Deutschland steht im Verbund mit der globalen Finanzkrise vor einer 
Rezession.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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