Berliner Morgenpost: Ab heute gilt: Mehr Demokratie wagen - Kommentar
Berlin (ots)
Die Berliner CDU hat auf der gestrigen Landesvertreterversammlung mit einer Sensation aufgewartet: Sie hat sich emanzipiert gegen die Macht der Kreisvorsitzenden. Sie hat sich nicht an die Absprachen gehalten, die die mächtigen Kreischefs der Westberliner CDU im Hinterzimmer getroffen hatten. Die Delegierten stellten sich mehrheitlich gegen das System Schmitt. Es war nicht nur der geballte Unmut gegen den ehemaligen Parteichef und Bundestagsabgeordneten aus Charlottenburg-Wilmersdorf. Es war auch eine Abrechnung mit der Kreisvorsitzendenrunde, die Schmitt am Dienstag einberufen hatte, um die Posten zu verteilen. Dass es nicht nur um die Person Ingo Schmitt ging, zeigte eine kleine, aber entscheidende Szene auf dem Parteitag. Als nach der Wahl der Neuköllner Kreischefin Stefanie Vogelsang, die sich gegen Schmitt durchgesetzt hatte, der Parteitag unterbrochen und die Kreisvorsitzendenrunde tagen sollte, wurde dieser Vorschlag ausgebuht und dann auch zurückgezogen. Die Delegierten wollten nicht, dass nach Schmitts Niederlage erneut die Kreischefs über die Machtverteilung in einem Hinterzimmer kungelten. Der Wunsch nach Transparenz, nach einer offenen Diskussion ist groß in der Hauptstadtunion. Das tut der Partei gut, stärkt das doch auch den auf den Regionalkonferenzen der vergangenen Wochen zum Ausdruck gebrachten Wunsch nach mehr innerparteilicher Demokratie. Es wäre politisch naiv zu denken, dass die Kreisvorsitzenden, zu denen ja auch die gestern nominierten Frank Steffel und Kai Wegner gehören, bei Machtfragen nicht mehr miteinander reden werden. Doch die Entscheidungen sollen klar und transparent in den Gremien getroffen werden, die die Partei geschaffen hat. Die Mehrheit der Delegierten wollte noch einen weiteren Schlusspunkt setzen. Bei der Entscheidung über die Europawahl nominierte sie Joachim Zeller, nicht den ehemaligen Fraktionschef Friedbert Pflüger. Für Pflüger ist das wohl das Ende der politischen Karriere. Der Parteitag ist aber ein Anfang. Noch gibt es zwar keine neuen Strukturen, die diesem Mitsprachewunsch gerecht werden. Doch das wird die Aufgabe des neuen Parteichefs Frank Henkel sein. Er hat Reformen angekündigt und Vorschläge gemacht. Die Berliner CDU braucht aber auch eine inhaltliche Modernisierung. Die Menschen in Berlin wollen Antworten zu den Fragen nach mehr Wirtschaftskraft und mehr Arbeitsplätzen, nach mehr Freiheit und einer besseren Bildung für die Kinder. Für solche neuen Positionen ist die Zeit aber schwierig. Die Partei muss in den nächsten Monaten in den Wahlkampf ziehen. Vor der Bundestagswahl muss sie sich geschlossen zeigen - auch wenn es den Reformern in der Union nicht schnell genug gehen kann. Die Wähler wollen keinen innerparteilichen Streit, sondern einen Wettbewerb der politischen Parteien für eine bessere Zukunft.
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