Berliner Morgenpost: Eine Lösung mit geringem Restrisiko - Kommentar
Berlin (ots)
Seit zwei Jahren kümmert sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit auch um die Kultur. Er startete mit einem Coup: der Verpflichtung von Ulrich Khuon. Der erfolgreiche Intendant des Hamburger Thalia Theaters übernimmt im kommenden Sommer die Leitung des Deutschen Theaters. Für Wowereit als amtierenden Kultursenator war das ein Auftakt nach Maß. Aber die Dauerbaustelle Staatsoper drohte die positive Zwischenbilanz arg zu trüben. Das Krisenmanagement in Zusammenhang mit dem unfreiwilligen Abgang des Intendanten Peter Mussbach war schlecht. Obwohl dessen Vertrag ohnehin nicht verlängert werden sollte, hatte die Suche nach einem Nachfolger zum Zeitpunkt des Rückzugs noch nicht begonnen. Im Rahmen der anschließenden hektischen Suche sagten Kandidaten auch ab, weil das Gehaltsniveau in Berlin verglichen mit Opernhäusern in anderen europäischen Ländern bescheiden ist. Zu der Dauerdiskussion um einen neuen Staatsoper-Intendanten kam die Debatte um die Sanierung des maroden Gebäudes: Der von einer Wettbewerbsjury gekürte moderne Entwurf für den Zuschauerraum der Lindenoper wurde zu den Akten gelegt. Der Streit um den Umzug ins Schiller-Theater flammte wieder auf. Um die ganzen Diskussionen zum Verstummen zu bringen, war die Präsentation eines neuen Intendanten überfällig. Zumal die logistische Vorbereitung des Umzugs und die Sanierung echte Herausforderungen sind. Mit Jürgen Flimm, dem amtierenden Leiter der Salzburger Festspiele, wurde ein erfahrener, gut vernetzter Managertyp verpflichtet. Eine Lösung mit geringem Restrisiko. Flimm ist einer, der selbst inszenieren kann, aber nicht muss. Einer, der Daniel Barenboim kennt und mit ihm schon zusammengearbeitet hat. Letzteres dürfte entscheidend bei der Wahl gewesen sein. Denn Generalmusikdirektor Barenboim gilt als der heimliche Herrscher der Staatsoper. Er wurde zur gestrigen Vorstellung des künftigen Intendanten aus New York eingeflogen. Um zu demonstrieren, dass beide miteinander können. Flimm sandte versöhnliche Signale in Richtung Deutsche Oper. Die Staatsoper rückt den Kollegen aus dem Westen mit dem Umzug ins Schiller-Theater gewissermaßen auf die Pelle. Und mit dem Führungsduo Flimm/Barenboim ist sie künftig richtig gut aufgestellt. Das wird man an der Deutschen Oper mit gemischten Gefühlen registrieren. Flimm hat gestern vorsorglich darauf hingewiesen, dass er sich als Umzugsintendant sieht: Nach fünf Jahren soll Schluss sein. Um eine neuerliche Ad-hoc-Suche zu vermeiden, sollte die Senatsverwaltung die Kontakte mit den anderen Kandidaten nicht abreißen lassen. Nicht nur an der Staatsoper braucht man mittelfristig wieder einen. An der Deutschen Oper läuft der Kontrakt mit der Intendantin in zweieinhalb Jahren aus. Und weil in Opernkreisen mit langen Vorlaufzeiten geplant wird, gilt: Nach der Vertragsunterzeichnung ist vor der Vertragsunterzeichnung.
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