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Berliner Morgenpost: Die Wahrheit über den Gesundheitsfonds - Kommentar

Berlin (ots)

Man hätte die Uhr danach stellen können: Pünktlich
zum Start des ungeliebten Gesundheitsfonds sagen die Krankenkassen 
wieder einmal den Weltuntergang voraus. Sie klagen über zu wenig Geld
und ergehen sich in düsteren Prognosen, wie viel knapper das Geld in 
den kommenden Monaten noch werden wird. Es sind dieselben 
Krankenkassen, die schon immer am Fonds herumgenörgelt haben. Es sind
auch zum Teil dieselben Kassen, die in Zeitungsanzeigen ihre 
wirtschaftliche Stärke anpreisen und mit "umfassenden und stabilen 
Leistungen" werben.
So schlimm kann die Lage also nicht sein. Etwas verbale Abrüstung 
täte daher gut, denn das deutsche Gesundheitswesen steht nicht vor 
dem Kollaps. Ein Blick ins Ausland genügt, um festzustellen, dass es 
zu den besten der Welt gehört. Daran wird auch der Gesundheitsfonds 
vorerst nichts ändern. Richtig ist allerdings, dass der Fonds die 
Kassenlandschaft im nächsten Jahr gehörig umkrempeln wird. Das ist 
die eigentliche Ursache für das Geschrei.
Für den größten Unmut sorgen die Zusatzbeiträge, die einige Kassen 
womöglich im Laufe des nächsten Jahres nehmen müssen. Es handelt sich
dabei um zunächst kleine Euro-Beträge, von denen die Politik 
behauptet, sie würden anzeigen, ob Kassen "gut" oder "schlecht" 
wirtschaften. Das ist Unfug. Zusatzbeiträge können nämlich auch 
entstehen, wenn eine Kasse mehr Geld ausgibt, um eine besondere - und
womöglich bessere - Versorgung zu bieten, indem sie mit Ärzten 
besondere Verträge abschließt. Tatsächlich bedeuten diese Beträge für
viele Versicherte zunächst eine Belastung, zusätzlich zum hohen 
einheitlichen Beitragssatz, den es ab Januar gibt. Trotzdem sollten 
sie diese Beträge nüchtern betrachten und als das nehmen, was sie 
sind: als Preissignal. Sie sollten sich anschauen, welche Leistung 
sie dafür von ihrer Kasse bekommen, und entscheiden, ob sie damit 
zufrieden sind. Wenn nicht, können sie die Kasse wechseln.
Zusatzbeiträge sind keine Katastrophe, sondern ein Indikator dafür, 
dass Gesundheit etwas kostet. Wie viel, kann jeder - in Grenzen - 
selbst entscheiden. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass viele 
Krankenkassen ab Januar mit neuen Tarifen werben werden, bei denen 
Versicherte Geld sparen können. Zusammen mit den zahlreichen 
Zusatzversicherungen, die es jetzt schon gibt, können daraus 
langfristig ganz individuelle Versorgungspakete werden, die sich 
jeder zusammenstellen kann.
In einem Punkt ist die Kritik der Kassen am Zusatzbeitrag allerdings 
gerechtfertigt: So, wie die große Koalition ihn konstruiert hat, 
funktioniert er nicht. Weil er in der Summe begrenzt ist, können 
Kassen im Extremfall ihren Finanzbedarf nicht decken. Dieser Fall 
wird nach übereinstimmender Meinung von Experten so schnell nicht 
eintreten. Union und SPD wissen das und sollten sich deshalb trauen, 
hier nachzubessern. Sie würden dazu beitragen, das Vertrauen in den 
Gesundheitsfonds zu erhöhen. Alles andere ist eine Frage der 
Gewöhnung - für die Krankenkassen und die Versicherten.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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