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Berliner Morgenpost: Wer Demokratie will, darf nicht tricksen - Kommentar

Berlin (ots)

Das sind schöne Demokraten, Berlins
Sozialdemokraten! Erst versprechen sie vollmundig mehr 
Bürgerbeteiligung. Wenn die Bürger dieses Angebot annehmen, das 
Ergebnis eines Volksbegehrens oder in der Endstufe eines 
Volksentscheids den Damen und Herren in den Führungsgremien der 
Partei aber nicht passt, dann wird ignoriert, verzögert oder übel 
getrickst, um Volkes Stimme schnell wieder zum Schweigen zu bringen. 
So wurde der Flughafen Tempelhof abgewickelt, so folgenlos bleibt 
bislang die Versenkung von Mediaspree. Nun soll auch noch in Sachen 
Pro Reli manipuliert und obendrein eine Menge Geld zum Fenster hinaus
geworfen werden. Der Regierende Bürgermeister zeigt ein höchst 
bedenkliches Verständnis auch von innerparteilicher Demokratie, wenn 
er, wie an diesem Wochenende während der SPD Klausurtagung im 
mecklenburgischen Fleesensee, selbst in Fragen von Religion und Ethik
blinde Gefolgschaft zumindest aller sozialdemokratischer 
Mandatsträger verlangt.
Bleibt der Regierende einmal mehr stur und boykottiert die ebenso 
logische wie finanziell und organisatorisch einzig vernünftige 
Zusammenlegung von Volksentscheid über Pro Reli und Europawahl am 7. 
Juni, handelt er zwar legal, beweist aber erneut eine aus Trotz 
gespeiste Arroganz der Macht, die zunehmend schwer erträglich ist. 
Dass Pro Reli das erfolgreichste Volksbegehren Berlins ist, muss 
Klaus Wowereit ähnlich überrascht und politisch verärgert haben wie 
im April der knapp gescheiterte Entscheid über die Zukunft 
Tempelhofs. Wer aber wie er und seine rot-rote Koalition (gegen 
Bedenken der CDU) vor vier Jahren ganz bewusst die Basisdemokratie 
stärken wollte, der muss sich dem fairen politischen Streit stellen. 
Wowereit scheut diesen, weil er ihn offensichtlich fürchtet. Anders 
als im Fall Tempelhof ist die Pro-Reli-Abstimmung keine im Kern auf 
das alte West-Berlin beschränkte Initiative, sondern eine ganz Berlin
bewegende Frage. Zudem ist Pro Reli wesentlich breiter aufgestellt: 
Christen, Juden und Muslime engagieren sich ebenso wie Neu-Berliner, 
SPD-Linke wie die Stellvertretende Bundesvorsitzende Andrea Nahles 
oder Kanzlerkandidat Frank- Walter Steinmeier bekennen sich zu Pro 
Reli ebenso wie ein Bürgertum, das nach langer Zeit wieder 
selbstbewusst seine Stimme erhebt.
Soll eine faire und dauerhaft akzeptierte Entscheidung gefällt 
werden, dann müssen so viele Berliner wie irgend möglich zur Wahlurne
gelockt werden. Das garantiert allein die Verbindung des 
Volksentscheids mit der Europawahl. Wer wie Wowereit bockig darauf 
beharrt, den Entscheid ein paar Wochen vorzuziehen, hat dafür keine 
einleuchtenden Gründe. Der trickst, manipuliert und verschwendet viel
Geld in einer armen Stadt. Und wer sagt eigentlich, dass, je mehr 
Berliner am 7. Juni zur Wahlurne schreiten, die Chancen allein für 
Pro Reli steigen?
Selten war das Vertrauen Klaus Wowereits in seine vermeintliche 
Klientel so gering wie in diesen Tagen. Und bereuen könnte er seine 
Anti-Reli-Trickserei auch noch: 2013, wenn er als Kanzlerkandidat in 
weniger gottlosen Regionen Deutschlands auf Stimmenfang gehen will.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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