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Berliner Morgenpost: Berlin braucht Sarrazins Sparpolitik - auch ohne ihn - Kommentar

Berlin (ots)

Berlin und seinem rot-roten Senat steht ein herber
Verlust bevor. Was mehr oder weniger informierte Kreise schon lange 
kolportieren, wird nun offensichtlich Realität: Finanzsenator Thilo 
Sarrazin strebt in den Vorstand der Bundesbank. Der Regierende 
Bürgermeister Klaus Wowereit wird dem Wunsch des promovierten 
Volkswirts nach einem honorigen Karriereausklang als Notenbanker 
keine Steine in den Weg legen.
Trotz all der grauen Haare, die Sarrazins provozierende Aussagen zu 
Hartz-IV-Menüs, schlechten Berliner Schülern und bleichen Beamten bei
Wowereit und seinen Genossen haben wachsen lassen, dürften auch die 
meisten Sozialdemokraten den Abgang bedauern. Vor allem Klaus 
Wowereit dient der strenge Sparkommissar über Berlin hinaus als 
Ausweis eigener politischer Solidität. Für Sarrazin selbst ist es 
fast tragisch, dass sein siebenjähriger Kampf gegen den Berliner 
Ausgaben-Schlendrian am Ende nicht belohnt wird. Im Nachtragshaushalt
2009 muss er fast eine Milliarde Euro neuer Schulden ausweisen, vor 
allem infolge der Wirtschaftskrise und der Konjunkturpakete. Sarrazin
bekennt offen, dass ihm dieser Rückfall in die roten Zahlen Unbehagen
verursacht.
Aber das Prinzip Sarrazin kann über den Termin seines Weggangs hinaus
wirken. SPD und Linke werden bis zum Sommer die Eckpunkte des 
Doppelhaushalts 2010/2011 beschlossen haben. Wenn Wowereit und die 
SPD-Fraktion ihre Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel setzen wollen, 
müssen sie äußerste Finanzdisziplin einhalten. Laufen die regulären 
Ausgaben wieder aus dem Ruder, wären Jahre rot-roter Sparpolitik 
diskreditiert. Auf keinen Fall darf sich die Attitüde durchsetzen, in
Zeiten von Milliardendefiziten seien ein paar Millionengeschenke für 
die eigene Klientel auch noch drin. Bisher haben die Sozialdemokraten
solchen Impulsen einigermaßen widerstanden. Die sarrazinsche Schule 
feiert pädagogische Erfolge.
Vor diesem Hintergrund wird Wowereit die Lücke Sarrazin halbwegs 
schließen können. Für die letzten zwei Jahre der Legislaturperiode 
braucht man eher einen Sachwalter als einen ambitionierten Neuling. 
Das Geld aus den Konjunkturpaketen sinnvoll auszugeben, ist 
Projektmanagement und keine große Politik. Vieles spricht deswegen 
für eine interne Lösung, etwa die Beförderung des 
Finanzstaatssekretärs Klaus Teichert oder einen Wechsel der 
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer.
Berlin muss auch nach Thilo Sarrazin so solide wirtschaften, dass die
Stadt nicht wieder zur finanzpolitischen Lachnummer unter den 
deutschen Ländern wird. Ein seriöser Haushalt, der langfristig nicht 
mehr Geld verplant als hereinkommt, ist nicht nur das Werk eines 
Mannes, sondern auch Folge eines kollektiven Umdenkens in der Stadt. 
Thilo Sarrazin hat mit penetranter Erziehungsarbeit einen großen 
Anteil an diesem Reifeprozess. Es liegt an Klaus Wowereit und den 
Spitzen der Koalition, auch ohne ihren besten Mann das Geld 
zusammenzuhalten.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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