Berliner Morgenpost: Berliner Morgenpost zum Datenskandal bei der Bahn
Berlin (ots)
Kennzeichnend für das "System Mehdorn" ist nicht etwa das fragwürdige Vorgehen der Bahn bei der Mitarbeiterüberwachung - das gab es schon vor seiner Zeit -, sondern die Neigung, aus überschaubaren Konflikten große Krisen zu machen. Diesmal ist Hartmut Mehdorn in die Datenschutzaffäre geschlittert, und wie das bei den Turbulenzen so ist, in die er regelmäßig gerät, hätte es diese gar nicht geben müssen. Doch der Bahnchef hat nach massiver Kritik und selbst nach dem Vorwurf der Rasterfahndung die eigene Position hartnäckig verteidigt - um erneut erst im letzten Moment einzulenken. Immerhin: Den von den Gewerkschaften geforderten Entschuldigungsbrief an die Belegschaft hat Mehdorn geschrieben. Doch was ist der wert, wenn täglich neue Details über Ausspähaktionen ans Licht kommen? Ohnehin fragt man sich, warum es der Bahnchef stets bis zum Äußersten kommen lässt. Und warum er in der aktuellen Datenschutzaffäre nur scheibchenweise die Wahrheit preisgibt. Glaubt Mehdorn tatsächlich, diese Krise meistern zu können, indem er einfach Kurs hält, Nebelkerzen wirft und auf die Salamitaktik setzt? Die deutlich weniger dramatischen Krisen im zurückliegenden Jahr hätten ihn eigentlich eines Besseren belehren müssen. Stur stemmte sich Mehdorn im Tarifkonflikt mit den Lokführern gegen ein Einlenken, starrköpfig hielt er an Bedienzuschlägen beim Ticketkauf am Schalter sowie den Börsenboni für den Vorstand fest, selbst dann noch, als von allen Seiten Kritik kam. Schon damals wurden Rücktrittsforderungen laut, musste Mehdorn schließlich nach heftigem Widerstand einlenken. In der aktuellen Datenschutzaffäre hätte der Bahnchef nur vor zwei Wochen alle Karten auf den Tisch legen müssen. Und natürlich eine ernsthafte Untersuchung der Vorgänge sowie einen Kurswechsel bei der Korruptionsbekämpfung in Aussicht stellen. Die ganze Affäre wäre dann vielleicht schon vom Tisch, Mehdorn hat schon so viele Krise durchgestanden. Die Datenschutzaffäre aber zieht immer größere Kreise, schon deshalb, weil niemand weiß, welches Ausmaß die Ausspähaktionen wirklich gehabt haben - oder noch haben. Wer den Machtmenschen Mehdorn kennt, weiß, wie schwer ihm der Mitarbeiterbrief gefallen sein muss. Darin ist von "Übereifer", gar von "Fehlern" die Rede. Selten hat sich der Bahnchef öffentlich so gewunden. Nur: Die Wirkung ist angesichts immer neuer Details verpufft. Allerdings hatte Mehdorn keine Alternative zu einer öffentlichen Entschuldigung. Ohne ein Zeichen an die Belegschaft und die Gewerkschaften wären seine Tage gezählt. Und die Gewerkschaften braucht Mehdorn, denn die haben - wie das Bundeskanzleramt - aller Affären und Krisen zum Trotz, kein Interesse an einem neuen Bahnchef. Zumindest bis zur Bundestagswahl. So hat Mehdorn die Chance, auch die Datenschutzaffäre zu überstehen. Und kurz nach der Wahl läuft sein Vertrag ohnehin aus. Ob es ein Abgang in Würde wird, hat Mehdorn jetzt in der Hand.
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