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Berliner Morgenpost: Der Föderalismus ist besser als sein Ruf - Kommentar

Berlin (ots)

Die Politik hat sich ein Stück Bescheidenheit
auferlegt. Nicht sofort und auch nicht zu viel. Aber immerhin. Wie 
die Demokratie insgesamt ist auch der Föderalismus ein mühsames, weil
von Interessen geleitetes Geschäft. Dass sich Bund und Länder jetzt 
doch noch zum Einbau einer Schuldenbremse in die Verfassungen 
durchgerungen haben, ist zumindest ein kleiner Fortschritt angesichts
der neuen Rekordverschuldung zur Minderung der aktuellen Krisen und 
eines Gesamtschuldenstandes aller öffentlichen Haushalte von 1,553 
Billionen Euro - die einer Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland von 
rund 19000 Euro entsprechen. Der Marsch in den Schuldenstaat 
ist längst angetreten. Höchste Zeit also, ihn abzubremsen.
Mehr als eine sehr bescheidene Drosselung der Marschgeschwindigkeit 
ist dabei vorerst nicht herausgekommen. Den Ländern wird bis 2020 
eine Schonfrist eingeräumt. Erst danach haben sie, zumindest in 
normalen Wirtschaftsjahren, ausgeglichene Haushalte zu verabschieden.
Der Bund nimmt sich gar das Recht heraus, auch künftig neue Schulden 
zu machen, allerdings limitiert auf 0,35 Prozent des 
Bruttoinlandsprodukts. Das ist wahrlich kein berauschendes Ergebnis 
auch angesichts dessen, dass das hoch verschuldete Berlin dank einer 
rigorosen Sparpolitik bereits 2008 in der Lage war, mit einem 
ausgeglichenen Haushalt abzuschließen.
Aber die Einigung zwingt letztlich doch alle, angesichts der Hürde 
einer Verfassungsnorm künftig sparsamer mit den Steuermitteln 
umzugehen. Denn nur dann greift auch die letztlich doch wieder 
praktizierte Solidarität zwischen armen und reichen Ländern. Dass 
Letztere zusammen mit dem Bund den armen Schluckern finanziell auf 
die Beine helfen wollen, damit auch sie ab 2020 ohne neue Kredite 
auskommen, zeugt von gesamtstaatlicher Verantwortung. Der so oft 
geschmähte Föderalismus ist bei allen unüberhörbaren Misstönen besser
als sein Ruf.
Natürlich wäre mehr wünschenswert gewesen. Auch deshalb, weil das 
ursprüngliche Ziel der Föderalismuskommission II ein viel weiter 
gestecktes war. Sie sollte die ganzen verschlungenen 
Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu regeln und dabei 
einerseits für wieder klar erkennbare Verantwortlichkeiten sorgen und
andererseits Anreize zur Selbstheilung für die armen Länder schaffen.
Die letzte große selbst gesteckte Aufgabe der großen Koalition ist 
auch deshalb nicht überzeugend gelöst worden, weil die gesamte 
Altschuldenproblematik in Bund und Ländern (1,553 Billionen Euro) 
wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten schon vor Monaten 
ausgeklammert wurde.
Als Fazit bleibt das "Immerhin", wenn im letzten Augenblick nicht 
alles doch noch an den offenen Details scheitert. Alle 
Landesregierungen müssen in normalen Zeiten spätestens ab 2020 mit 
dem Geld auskommen, das sie von den Bürgern einnehmen. Wenn auch 
spät, ist die Zeit der Politik auf Pump dann endlich vorbei. Die 
Bürger allerdings sollten sich nicht täuschen. Sie werden es spüren. 
Künftige Generationen weniger. An den ihnen hinterlassenen Schulden 
ändert der jetzt errungene Kompromiss nichts.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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