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Berliner Morgenpost: Die Taktiker haben Hochkonjunktur - Kommentar zum Konjunkturprogramm

Berlin (ots)

Natürlich wirkt es in der schwersten
Wirtschaftskrise seit dem Krieg bizarr, wie die Parteien um die 
Bundesratszustimmung zum Konjunkturpaket der großen Koalition 
feilschen. Wenn das schwarz-grün regierte Hamburg mit 
SPD-Fraktionschef Peter Struck um Cent-Beträge bei der Besteuerung 
von großen Diesel-Autos schachert, wenn die Bundes-CDU dabei erst 
mehr und dann wieder weniger Kfz-Steuern verlangt, wenn die FDP auf 
Chancen zu Steuersenkungen lauert, sich aber auf Konkretes nicht 
festlegt - dann kann man sich schon fragen, ob den Taktikern der 
Ernst der Lage bewusst ist.
Doch sollte man sich mit solchem Moralisieren nicht lange aufhalten. 
Denn das Problem ist hier nicht, dass die Parteien taktieren - das 
gehört zu ihrem Geschäft -, sondern dass es ihnen dieses Mal so 
leicht gemacht wird und dass ihnen derzeit auch gar nichts anderes 
übrig bleibt.
Leicht gemacht wird ihnen das Gezerre durch das Konjunkturpaket 
selbst. Von den beiden inhaltlich weit ausgefaserten Volksparteien so
gepackt, dass das Paket für jeden etwas enthält, lässt es eine klare 
wirtschaftspolitische Linie vermissen und ist zum Sammelsurium 
geworden. Es wirkt beliebig, und Union wie SPD könnten sich darin 
auch anderes vorstellen, die Union viel mehr Steuersenkungen, die SPD
viel mehr staatliche Investitionsprogramme. Wenn dann die 
Oppositionsparteien FDP und Grüne genau jene Forderungen vorbringen, 
stoßen sie bei den Regierungsparteien auf offene Ohren. Entlastungen 
im Sinne der Liberalen? Darüber lässt sich mit der Union allemal 
reden. Klimaschutz im Sinne der Grünen? Das kommt der SPD ganz 
gelegen. Weil die große Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel 
weniger geführt als moderiert wird, konnte sie mit dem 
Konjunkturpaket einen formlosen Schwamm schaffen, der geradezu darauf
wartet, dass jeder mit der Forderungsspritze herbeiläuft und ein paar
Liter der eigenen Vorlieben hineinpumpt. Eine deutliche, für manche 
auch abweisende Kontur hingegen hätte die Opposition gezwungen, 
entweder von Anfang an strikt Nein oder beherzt Ja zu sagen.
Solche Entschiedenheit aber - das gilt für Union und SPD genauso wie 
für FDP und Grüne - hätte zur Voraussetzung, dass sich die Parteien 
trauen würden, offen als Wahlkämpfer aufzutreten. Als Parteien also, 
die den Mut haben, in scharfen Konfrontationen ihre Programmatik nach
vorn zu stellen und dafür auch das Scheitern eines Gesetzes zu 
riskieren. Aber es ist halt nicht irgendein Gesetz. Die 
Wirtschaftskrise ist so gravierend, dass man nicht einfach mal ein 
50-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket platzen lassen kann. Was also 
bleibt? Genau, taktisches Gezerre.
Na gut, dieses eine Mal noch. Möge also das Konjunkturpaket in der 
nächsten Woche durch den Bundesrat gewürgt werden. Danach aber sollte
Schluss sein und endlich das beginnen, worauf alle warten und längst 
eingestellt sind: der offene Wahlkampf, in dem man einander getrost 
auch mal ein halbes Jahr lang blockieren kann. Ein bisschen 
Blockieren ist leichter zu ertragen als endloses Taktieren.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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