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Berliner Morgenpost: Berliner bekennen sich zu ihrer Stadt - Kommentar zur Sanierung der Gedächtniskirche

Berlin (ots)

Zum zweiten Mal haben die Berliner ihre
Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gerettet. Vor einem halben 
Jahrhundert protestierten und forderten sie laut und ausdauernd, bis 
der geplante Abriss des im Krieg schwer beschädigten Gotteshauses 
verhindert wurde. Selbst der renommierte Architekt Egon Eiermann 
zeigte sich von Volkes Stimme beeindruckt und willigte ein, seinen 
Kirchenneubau so umzuplanen, auf dass die Turmruine integriert werde.
Dabei war der zu Ehren Kaiser Wilhelms I. im spätromanischen Stil 
errichtete Sakralbau alles andere als ein architektonisches Juwel. 
Kenner der Materie schimpften ihn gar eine "Architekturschande". Die 
Liebesbeziehung zwischen der Gedächtniskirche und den Berlinern 
entstand denn auch erst nach dem Krieg, als fast alles in Schutt und 
Asche lag. Der markante Turmstumpf am Ende des Kurfürstendamms wurde 
zum Symbol des Überlebenswillens der "Insulaner".
 Jetzt drohte dem "hohlen Zahn", wie sie die "schönste Ruine der 
Welt" (so der Architekt Walter Gropius) einst respektlos umtauften, 
erneut der Zusammenbruch. Und wieder sprangen die Berliner als Retter
ein. Diesmal spendeten sie eine Million Euro. Einschließlich der 
Zuschüsse von Bund, Land und Lottogesellschaft ist damit die 
überfällige Sanierung endgültig gesichert. Dass Bürger, Firmen und 
Vereine der finanziell hoffnungslos überforderten armen 
Kirchengemeinde halfen, das vorgegebene Spendenziel zu erreichen, ist
gleich in doppelter Hinsicht ein ermutigendes Signal. Um den 
Bürgersinn in dieser Stadt ist es keineswegs so schlecht bestellt, 
wie oft befürchtet und behauptet wird. Und zweitens sind die Berliner
auch in wirtschaftlich weniger hoffnungsvollen Zeiten bereit, etwas 
für ihre Stadt und für in Not geratene Mitmenschen zu tun. So 
sprudelten die Spenden zur Rettung der Gedächtniskirche erst im 
letzten Quartal 2008 kräftiger, als die Konjunkturmeldungen schon von
Baisse kündeten. Und ein menschliches Schicksal wie das der 
12-jährigen Charlyn, deren rechter Arm bei einem Sprengstoffanschlag 
zerfetzt wurde, hat die Berliner noch nie kalt gelassen.
 Bei allen Mängeln und Gefährdungen, die einer Millionen-Metropole 
immanent sind, haben bürgerliche Tugenden als Teil der 
Mitverantwortung für das Gemeinwesen auch in Berlin Bestand. Meist 
werden sie unspektakulär im Stillen gelebt, seltener mit großem 
öffentlichem Echo. Beides hat seine Zeit, beides ist nötig.
Mit ihrem Beitrag zur Rettung des zu einem Wahrzeichen der Stadt 
verklärten Turmstumpfes haben sich die Berliner zu ihrer 
Stadtgeschichte bekannt. Es war, das kann nicht überraschen, im 
wesentlichen eine West-Berliner Hilfsaktion. Jetzt kommt auf die 
Berliner eine neue Herausforderung zu; eine das ganze Berlin 
betreffende. Denn was anderes ist der Wiederaufbau des Schlosses im 
Herzen der Stadt? Ein Schloss von Bürgern für Bürger im Zentrum ihrer
Hauptstadt durch Spenden mitfinanziert - wahrlich eine 
republikanische Herausforderung. In diesem Fall allerdings nicht 
allein für die "Insulaner".

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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