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Berliner Morgenpost: Boni-Republik Deutschland - Kommentar

Berlin (ots)

Keine Frage: Wer ein Geldinstitut an den Abgrund
oder darüber hinaus spekuliert hat, darf nicht auch noch belohnt 
werden, schon gar nicht mit öffentlichem Geld. Dennoch ist es 
unredlich, allein die Banker-Boni zu kritisieren. Fakt ist: Wie im 
Geldgewerbe werden auch in vielen anderen Bereichen Millionen 
Arbeitnehmer mit mehr oder weniger fairen Belohnungssystemen unter 
Dampf gehalten.
Ob die Beraterin am Sparkassenschalter, der Telefonist im Call Center
oder manche Medienmenschen: Ein guter Teil des Einkommens ist 
leistungsabhängig, geknüpft an Erträge, Quoten, Schlagzahl. Das 
Bonus-System hat sich in alle Bereiche unseres Lebens gefressen: Wer 
shoppt, bekommt Punkte, wer Kunden vermittelt, meist bares Geld. Die 
Jagd nach Meilen, Digits oder dem elften, kostenlosen Cappuccino ist 
eine Art Volkssport.
Wir leben in der Boni-Republik Deutschland, vereint im Willen, an den
Geschäften anderer beteiligt werden zu wollen. Verwerflich ist das 
nicht. Denn all die Boni, Punkte, Prämien sind freiwillige 
Leistungen. Was Banker und Bürger trennt, sind die Größenordnungen: 
Der eine bekommt Abermillionen, der andere nur den Massage-Igel. Die 
Mentalität ist dennoch die gleiche: Der Mensch nimmt gern, was ihm 
angeboten wird. Dazu nur mal ein winziges Gedankenspiel: Wer, der 
jetzt Millionen-Boni kritisiert, hätte dieselben als 
Investment-Banker abgelehnt?
Das Problem sind weniger die Boni-Kassierer als die Boni-Gewährer. 
Eben da haben Politik, Wirtschaftsverbände, Wissenschaftler und 
Medien in den letzten Jahren nicht genau genug hingeschaut. Die 
Nachschläge waren nicht nur deutlich zu hoch bemessen, sie haben auch
völlig falsche Ziele belohnt. Die märchenhaften Summen, die weltweit 
von Aufsichtsräten und auch den darin zahlreich vertretenen 
Politikern genehmigt wurden, zeigen inzwischen einen fundamentalen 
Denkfehler im Banken-Bonus-Systems: die Ungleichzeitigkeit.
Boni werden in der Regel am Jahresende ausgezahlt, für maximal 12 
Monate Leistungszeitraum. Viele Entscheidungen wirken aber deutlich 
länger nach, wie die Finanzkrise gerade wieder bewiesen hat. Der 
flotte Profit von heute kann den Kollaps übermorgen auslösen. 
Bonus-Systeme belohnen nicht nachhaltiges Wachstum, sondern den 
schnellen Euro ohne Rücksicht auf Verluste.
Es ist an der Zeit, dem Bonus-Unwesen ein Malus-System 
entgegenzusetzen: Boni werden nicht im Dezember ausgezahlt, sondern 
erst nach fünf oder zehn Jahren. Der Bonus der fetten Jahre wird mit 
Abzügen für magere Zeiten verrechnet. So würde Gier gezügelt und 
langfristig gutes Wirtschaften belohnt.
Die Bundesregierung allerdings wird ein solches System kaum 
durchsetzen können. Denn Politik basiert, darin dem 
Investment-Banking sehr ähnlich, auf dem Prinzip kurzfristiger 
Effekte ohne besondere Rücksicht auf die Zukunft: Entscheidungen 
müssen nur halten bis zur nächsten Wahl.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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