All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Der Wettbewerb auf Berlins Strommarkt leidet - Kommentar

Berlin (ots)

Es ist noch nicht lange her, da saß Vattenfall-Chef
Lars G. Josefsson in der Europa-Zentrale an der Chausseestraße, um 
bei den Kunden Abbitte zu leisten. Die deutsche Tochter des 
schwedischen Staatskonzerns sei weit davon entfernt, ein 
akzeptiertes, kundenfreundliches Unternehmen zu sein. Das sagte der 
Schwede im Sommer 2007, nachdem er gerade seinen Europa-Chef Klaus 
Rauscher in die Wüste geschickt hatte. Der hatte saftige 
Preiserhöhungen zu verantworten, das Verschweigen billigerer eigener 
Tarife in Kundenbriefen und vor allem den heimlichtuerischen Umgang 
mit Störfällen in deutschen Atomkraftwerken. Kunden seien enttäuscht 
worden, räumte Josefsson damals ein. Vor allem auf den Stamm-Märkten 
Berlin und Hamburg. Deren Vertrauen müsse nun zurückgewonnen werden.
Seit gestern ist klar, dass der Energieriese aus Skandinavien einen 
anderen Weg geht, um seine abtrünnigen Kunden zurückzuholen: Man 
kauft ein. Vattenfall übernimmt die Holländer von Nuon für 8,5 
Milliarden Euro. Was auf dem internationalen Markt der Mega-Deals 
trotz Krise immer noch erst für die zweite Liga reicht, hat in Berlin
ernste Konsequenzen. Denn der weitaus größte Stromanbieter, der 2003 
die einst kommunale Bewag übernommen hatte, verleibt sich den 
wichtigsten Verfolger ein. 200.000 Berliner Kunden, die Vattenfall 
den Rücken gekehrt haben, hängen jetzt wieder am Haken. Vattenfall 
erwirbt aus der gut gefüllten Kriegskasse die verlorenen zehn Prozent
Marktanteil zurück. Aus Sicht des Konzerns mag es Sinn machen, sich 
mit Nuon ein Standbein in den Benelux-Staaten zu verschaffen und 
Vertriebskanäle in die von den anderen deutschen Energieriesen 
beherrschten Regionen Deutschlands zu legen. Für den Wettbewerb auf 
dem regionalen Strommarkt in Berlin ist das eine miserable Nachricht.
Natürlich können Privathaushalte und Gewerbetreibende auch nach einer
Fusion Vattenfall/Nuon ihren Anbieter wechseln, wenn sie Strom 
billiger oder ökologischer oder weniger atomlastig aus den Steckdosen
haben wollen. Aber die Niederländer waren eben deutlich größer als 
die vielen kleinen Nischenanbieter aus dem Internet. Mit aggressiver 
Werbung und ihrer peppigen "Lekker Strom"-Kampagne haben sie den 
Wettbewerb auf dem Strommarkt auch für den Normalverbraucher erlebbar
gemacht. Nuon war gerade im wichtigen Testmarkt Berlin tatsachlich 
ein neuer, großer Spieler und nicht nur der Billigableger eines 
anderen Mitglieds des deutschen Energie-Oligopols wie Yello, Eprimo 
oder E-wie-einfach. Als solche Nebenmarke will Vattenfall nun wohl 
Nuon nutzen. Die Energieriesen inszenieren mit ihren Billigmarken 
einen Wettbewerb, ohne dass es echte Konkurrenz auf dem Strommarkt 
gibt.
Eine unverdächtige Organisation wie die Berliner Industrie- und 
Handelskammer forderte bereits, die Oligopole auf den Strom- und 
Gasmärkten müssten "durch neue Akteure überwunden werden". Von diesem
Ziel ist Berlin seit gestern weiter denn je entfernt.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 21.02.2009 – 20:22

    Berliner Morgenpost: Neue Hoffnung für Afghanistan - Kommentar

    Berlin (ots) - Seit sieben Jahren sind Nato-Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Sie kamen, um nach dem Sturz der mittelalterlichen Taliban-Schreckensherrschaft den Frieden zu sichern. Die Hoffnungen haben getrogen. Aus dem Friedenseinsatz ist längst ein Kampf-, ja ein Kriegseinsatz geworden. Dass die Taliban wieder Oberwasser gewonnen haben, ist weniger ihrer eigenen Stärke, mehr den Versäumnissen des Westens ...

  • 20.02.2009 – 18:44

    Berliner Morgenpost: Ein Blindflug in stürmischen Zeiten - Kommentar zum Konjunkturpaket

    Berlin (ots) - So. Nun ist auch diese Kuh vom Eis. 50 Milliarden Euro sollen Bund, Ländern und Gemeinden, vor allem aber uns Bundesbürgern dabei helfen, einigermaßen unbeschadet durch diese fundamentale Wirtschaftskrise zu kommen. Ob das einigermaßen gelingt, weiß derzeit niemand, kein Politiker, kein Wirtschaftsexperte, auch kein Zeitungsjournalist, obwohl ...