All Stories
Follow
Subscribe to BERLINER MORGENPOST

BERLINER MORGENPOST

Berliner Morgenpost: Das Ende einer politischen Illusion - Kommentar

Berlin (ots)

Es war eine gute Entscheidung des österreichischen
Richters Thomas Priebsch, wenigstens dieses, das juristische Kapitel 
des Falles Dieter Althaus zügig zu beenden. Der thüringische 
Ministerpräsident hat sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. 
Es gab für das Gericht offenbar keinen Zweifel an dieser Tatsache, an
dieser Lesart des tragischen Skiunfalls, der Dieter Althaus Zeit 
seines Lebens belasten wird, viel mehr als jede Geldstrafe, auch als 
der Verlust eines politischen Amtes.
Es ist aller Ehren wert, dass die Thüringer CDU sich mit ihrem Urteil
deutlich schwerer getan hat in den vergangenen Wochen. Dass sie sich 
gewunden hat, dass sie jede Hoffnung gerne genährt hat, dass sie sich
nicht wollte treiben lassen zu voreiligem Handeln, zu 
Respektlosigkeit. Die Hochachtung vor der Leistung, vor der Person 
des Ministerpräsidenten hat diese nach außen zuweilen hilflos, 
zuweilen peinlich betreten wirkende Zögerlichkeit nahe gelegt, 
vielleicht auch erzwungen.
Jetzt aber, soweit man eine so menschliche Tragödie aus der Distanz 
auch nur annähernd beurteilen kann, ist der Zeitpunkt gekommen, diese
Zurückhaltung abzulegen. Man tut Dieter Althaus ja keinen Gefallen, 
ihn weiterhin als potenziellen Spitzenkandidaten für die Landtagswahl
im Sommer zu behandeln. Ein wegen fahrlässiger Tötung verurteilter, 
gesundheitlich angeschlagener Ministerpräsident, dessen Wiederwahl am
Ende noch denunzierbar wäre als Mitleidswahl - eine Vorstellung, die 
nicht passt zu einem Mann, zu einem überaus selbstbewussten 
Vollblutpolitiker, der ja nicht nur politisch ein Kraftpaket war.
Dieter Althaus war bis gestern, also zwei Monate nach dem Skiunfall, 
nicht dazu in der Lage, auszusagen in eigener Sache. Er erinnert sich
nicht mehr an den Neujahrstag 2009. Und er wird auch in gut einer 
Woche bei der Landesdelegiertenkonferenz seiner Partei nicht sprechen
können, selbst eine als einigermaßen kraftvolles Lebenszeichen 
geplante Videoaufzeichnung wurde wieder verworfen. Althaus wird nach 
wie vor abgeschirmt von der Außenwelt. Seine Ärzte, die ja öffentlich
gar nicht anders können, sprechen von möglicher Genesung. Sein Bruder
weist deutlich darauf hin, dass es lange dauern werde bis der 
Ministerpräsident wieder der sein werde, der er einmal war. Eine 
Einschätzung, die realitätsnäher klingt als viele andere, vielleicht 
auch nur: menschlicher, und nicht von politischer Taktik geprägt.
Bei aller gebotenen Zurückhaltung also: Es fällt sehr, sehr schwer, 
sich Dieter Althaus - sagen wir im Juli - vorzustellen auf einer 
Wahlkampfveranstaltung seiner Partei, kämpferisch, rhetorisch und 
mental voll auf der Höhe der Zeit. Um dann, nach der Wahl und als 
wäre nichts gewesen, sein Land durch nicht eben leichte Zeiten zu 
führen. Nein, die Union tut Dieter Althaus keinen Gefallen, diese 
Illusion zu nähren. Sie sollte jetzt die bittere Entscheidung 
treffen, die ihr Ministerpräsident, wäre er im Vollbesitz seiner 
Kräfte, vermutlich selbst treffen würde.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

Original content of: BERLINER MORGENPOST, transmitted by news aktuell

More stories: BERLINER MORGENPOST
More stories: BERLINER MORGENPOST
  • 01.03.2009 – 19:10

    Berliner Morgenpost: Die Giftpfeile der SPD treffen den Nerv - Kommentar

    Berlin (ots) - Der kühnste und erfolgreichste Wahlkämpfer der SPD hieß Gerhard Schröder. Mit präzisem Gefühl für die Stimmung bei den Menschen zog der Altkanzler die Reizthemen hervor. Der Kampagnero Schröder bleibt bis heute das Trauma der Union. Wer nach einer Ideallinie sucht, auf der die Sozialdemokraten bis zur Bundestagswahl doch noch Richtung 30 ...

  • 28.02.2009 – 18:36

    Berliner Morgenpost: Berliner Morgenpost zum Parteitag der Linkspartei in Essen:

    Berlin (ots) - Sie sei eine Reformpartei, habe ihre Lehren als Nachfolgepartei der SED gezogen und agiere als Speerspitze gegen den Rechtsradikalismus. Selbsteinschätzungen, wie sie die Linkspartei für sich postuliert. Dass Anspruch und Wirklichkeit bedenklich weit auseinanderklaffen, wird an diesem Wochenende wieder deutlich, da die Partei Gysis und ...

  • 26.02.2009 – 19:46

    Berliner Morgenpost: Unbedachte Worte und ihe Nebenwirkungen - Kommentar

    Berlin (ots) - Sicherlich kann und darf man über das Urteil diskutieren. Ist es verhältnismäßig, eine Kassiererin nach mehr als 30 Jahren im Unternehmen zu kündigen, wenn sie Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unterschlägt? Das Berliner Landesarbeitsgericht folgte der Argumentation des Arbeitgebers, der das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört sah. Wie ...