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Berliner Morgenpost: Angela Merkel in der Schröder-Falle - Kommentar

Berlin (ots)

Auf der Jahrestagung des Mittelstandsverbandes BVMV
vergangenen Mittwoch jubelten 2500 euphorisierte Teilnehmer dem 
Festredner zu. Routiniert hatte Guido Westerwelle die traditionell 
unionsnahen Unternehmer schwindelig geredet. Die Bundesregierung 
hatte Wirtschaftsstaatsekretärin Dagmar Wöhrl entsandt, die sich auf 
ihrer Website mit Fotos mit Hund und "Dagis Tagebuch" präsentiert - 
lustig, aber nicht sehr krisenkompatibel.
Einen Abend später saß einer der vielen Unionisten, die sich von der 
Kanzlerin missachtet fühlen, beim Grappa und motzte hemmungslos über 
den "idiotischen Fehler, Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach 
zurückzuziehen". Und unter Katholiken macht derzeit eine interessante
Feststellung die Runde: Angela Merkel, Kanzleramtschef Thomas de 
Mazière, CDU-General Ronald Pofalla und auch Fraktionschef Volker 
Kauder seien ja allesamt Protestanten. Kein Wunder, dass solche Leute
nicht wissen, dass man den Papst nicht zu kritisieren hat. Zugleich 
holzen die Sozialdemokraten mit wachsender Freude gegen die eigene 
Koalitionschefin.
Nach drei Jahren Schönwetter-Regierens spürt Angela Merkel derzeit 
erstmals jene fröstelige Einsamkeit, die im Kanzleramt noch jeden 
eingeholt hat. Aus allen Richtungen pfeift der Eiswind. Und die 
Umfragen verheißen kein Ende des Tiefs.
Gerhard Schröder ging es 2002 ähnlich. Die Wirtschaftsdaten waren 
mies, die Gewerkschaften dem SPD-Kanzler so fern wie jetzt die 
Kirchgänger der Kanzlerin, die kleinen Leute enttäuscht von ihrer 
ehemals so warmherzigen Partei wie derzeit die Mittelständler von 
ihrer Union. Damals wie heute wenden sich die Kernwähler ab, 
emotional zutiefst enttäuscht.
Wie seinerzeit Schröder steckt auch Angela Merkel in der Falle 
zwischen Kanzler-Rationalität und Parteigefühl. Mochte es 
diplomatisch geschickter sein, die Vertriebenen-Chefin Steinbach 
fallenzulassen, so entstand bei konservativen Unionisten der 
Eindruck, Frau Merkel lasse sich ihr Personal von anderen diktieren. 
Mochten 100 Milliarden für die Hypo Real Estate auch nötig sein; beim
kleinen Unternehmer, auch er ein klassischer Unionskunde, herrscht 
seither das Gefühl, vernachlässigt zu werden.
Als Basta-Kanzler nutzte der Emotionsexperte Schröder seine engen 
Spielräume zumindest für die Inszenierung von Macht. Die 
Furchen-Kanzlerin dagegen erzeugt mit ihrem rational geprägten 
Zuwarten eher den Eindruck von Wegducken. In der Opel-Krise versprüht
ausgerechnet der bayerische Frischling zu Guttenberg mehr 
wirtschaftlichen Sachverstand als die ganze CDU zusammen.
Keine Frage: Im Kanzleramt wird fieberhaft nach einer Chance gesucht,
die Führungsstärke der Regierungschefin symbolisch vorzuführen; 
vielleicht eine Ruck-Rede, ein spektakulärer Rauswurf oder Fotos im 
Rackerei verheißenden Blaumann?
Schröder wurde von Hochwasser und Irak-Krieg knapp gerettet. So 
einfach wird es für seine Nachfolgerin nicht.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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