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Berliner Morgenpost: Kommentar: Richterspruch belastet Scheidungskinder

Berlin (ots)

Das Grundsatzurteil, das der Bundesgerichtshof zum
Unterhalt gefällt hat, spricht eine deutliche Sprache: Geschiedene 
Mütter - selten sind es die Väter - müssen künftig schneller als dies
früher üblich war, wieder ganztags dem Arbeitsmarkt zur Verfügung 
stehen. Genau dies war die Intention der großen Koalition. Zwar ist 
die Bedingung für die Vollzeitberufstätigkeit eine akzeptable 
Betreuungsmöglichkeit. Doch bekanntlich sorgt die Bundesregierung 
dafür, dass bisherige Mängel überall in der Republik schon bald 
beseitigt sein werden.
Bundesjustizministerin Zypries hat stets behauptet, die 
Unterhaltsreform würde die Interessen der Kinder stärken. Zugegeben: 
Durch die Gleichstellung von ehelichen und nicht ehelichen Kindern 
profitieren zahlreiche Minderjährige, deren Eltern nie verheiratet 
waren. Das ist die schöne Seite der Reform. Doch die Kehrseite ist 
rabenschwarz. Denn alle Scheidungskinder verlieren künftig weit mehr 
als bisher, wenn ihre Eltern sich trennen. Schon als Grundschüler 
werden die Kleinen den Spagat ihrer Mütter erleben, die sich zwischen
Vollzeitjob, Einkauf, Hausarbeitenbetreuung und Abwasch zerreißen. 
Deshalb ist es geradezu zynisch, dass die Regierung diese Reform 
unverdrossen als eine Stärkung des Kindeswohls verkauft. Für den 
Großteil der betroffenen Minderjährigen ist sie das Gegenteil.
Doppelt und dreifach privilegiert werden in Zukunft all diejenigen 
Jungen und Mädchen sein, deren Eltern zusammenbleiben. Denn in 
solchen Familien arbeitet das Gros der Mütter Teilzeit. Und nur die 
wenigsten Frauen streben danach, während der intensiven 
Familienphase, bis ihr Nachwuchs aus der Grundschule ist, ganztags 
aus dem Haus zu gehen. Denn die meisten wollen Zeit mit ihren Kindern
verbringen, sie nachmittags bei den Hausaufgaben unterstützen und sie
zum Sport oder Musikunterricht bringen. Wer meint, Ganztagsschule und
Hort seien adäquater Ersatz für eine solche Betreuung, hat wenig 
Einblick in die Realität, die vielerorts herrscht.
Das Berliner Kammergericht, dessen Urteil der BGH aufhob, hatte in 
letzter Zeit wiederholt im Sinne der Alleinerziehenden geurteilt. 
Obwohl es hier ein ausreichendes Angebot an Kindertagesstätten und 
Ganztagsschulen oder Horten gibt, wiesen die hiesigen Richter darauf 
hin, dass eine solche Betreuung keineswegs immer gewährleiste, dass 
die Kinder auch gut versorgt seien. Jüngst hatte das Kammergericht 
sogar die schlechte Qualität der hiesigen Grundschulen als Begründung
angeführt, warum ein achtjähriger Junge am Nachmittag seine Mutter 
benötige und der Ex-Mann deshalb weiterhin der Geschiedenen 
Betreuungsunterhalt zahlen müsse.
Wann eine Alleinerziehende künftig wie viel arbeiten gehen muss, wird
künftig viel mehr als in der Vergangenheit davon abhängen, wie die 
individuellen Lebensumstände sind. Das hört sich gerecht an. 
Tatsächlich aber steht zu befürchten, dass oft vor allem die Qualität
der von Müttern oder Vätern gewählten Anwälte entscheidend dafür sein
wird, wie stark das Kindeswohl berücksichtig wird.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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