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Berliner Morgenpost: Starke Gemeinschaft staat starker Staat - Kommentar

Berlin (ots)

Das Dumme an der globalen Krise ist, dass nicht nur
wir Finanzwelt-Laien nicht den blassesten Schimmer haben von dem, was
da noch alles auf uns zukommen könnte in den kommenden Monaten, 
Jahren. Denjenigen, die ab heute in London zusammensitzen, geht es 
kaum anders. Während der eine hoch qualifizierte Experte bereits 
erste Hoffnungsschimmer erspäht, sieht der nächste nur stockfinstere 
Nacht auf Jahre hinaus. Während die einen für noch ein 
Konjunkturprogramm plädieren und noch eins, warnen die anderen vor 
einer gigantischen Inflation, den dritten ist wenigstens einigermaßen
schwummerig zumute beim Geldrausschmeißen. In Wirklichkeit weiß 
niemand nichts, und das auch nicht so genau. Vertrauen, bekanntlich 
der Anfang jeder Besserung, geht anders.
Wir sollten die Erwartungen an den Weltfinanzgipfel also nicht zu 
hoch schrauben. Die Regierungschefs werden sich nicht wirklich 
festlegen können auf ein gemeinsames, schlagkräftiges 
Krisenbekämpfungsrezept, auch nicht auf die beim letzten Treffen 
vollmundig angekündigte tief greifende Reform der Weltfinanzen. Wenn 
es einigermaßen gut geht, einigt man sich wenigstens auf eine 
gemeinsame Analyse des Status quo, vielleicht noch auf erste 
Schritte. Das wäre es dann aber auch schon, das von Angela Merkel 
erhoffte Signal der Geschlossenheit, das von London ausgehen könnte. 
Angesichts der prekären Situation nicht mehr als ein Minimalziel.
Es wird den einzelnen Teilnehmern und den einschlägigen nationalen 
und internationalen Institutionen überlassen bleiben, wirksame 
Strategien gegen den drohenden Untergang der bestehenden 
Weltwirtschaftsordnung zu entwickeln und umzusetzen. Wenn das dann 
einigermaßen koordiniert zugehen könnte - zumindest zwischen Europa, 
Asien und den USA - das würde schon helfen angesichts der unbequemen 
politischen Ausgangslage.
In Krisenzeiten zerfällt unsere Weltgemeinschaft tendenziell in seine
nationalen Einzelteile, ein gleichsam zwangsläufiger Ausdruck einer 
politischen Ordnung, die demokratisch legitimierte Macht und 
Möglichkeiten noch immer entlang von Landesgrenzen verteilt. 
Internationale Organisationen wie EU, IWF, erst recht die UN büßen in
solchen Situationen an Einfluss umso stärker ein, je mehr es ans 
Eingemachte geht. Um Wirtschaftskraft, um Wohlstand, ums Portemonnaie
des Einzelnen.
Protektionismus, die Verteidigung nationaler Interessen, nationaler 
Wirtschaftskraft, ist in dieser Situation nicht mehr als ein Reflex 
dieser politischen Weltordnung. Nur, dass dem dummerweise eine 
globalisierte, international hochgradig voneinander abhängige 
Wirtschaft gegenübersteht, die sich nachhaltig auch nur international
regulieren ließe. In Zeiten, die mittlerweile als diejenigen des 
"ungezügelten", also eher lax regulierten Kapitalismus in die 
Vergangenheit eingeordnet werden, juckte das kaum einen. Heute aber 
braucht, wer nach dem starken, die Marktwirtschaft regulierenden 
Staat ruft, in Wahrheit eine starke internationale Gemeinschaft. 
Davon aber werden wir auch nach London noch weit entfernt sein.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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