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Berliner Morgenpost: Kommentar - Panik ist fehl am Platz, Zweifel sind es nicht

Berlin (ots)

Die Schweinegrippe breitet sich aus. Nachdem sie
Mexiko in Richtung der USA verlassen hatte, ist sie mittlerweile auch
in Europa, möglicherweise sogar in Deutschland angekommen. Ist das 
ozeanüberspannende Voranschreiten des neuartigen Erregers eine 
weitere Eskalationsstufe? Zunächst einmal ist es nicht überraschend. 
Wo Infektionen durch Reisende von Land zu Land getragen werden, kommt
es im Zuge des globalen Reiseverkehrs zwangsläufig irgendwann auch 
zur Übertragung auf einen anderen Kontinent. Die bestätigte 
Erkrankung in Spanien wurde aus Mexiko eingeschleppt. Das bedeutet, 
dass in Europa laut des Phasenplans der WHO "erst" Stufe 3 von 6 
erreicht ist ("pandemische Warnperiode"). Kein Grund zur Panik, sagen
die Experten. Aber die ist ohnehin immer fehl am Platze, weil sie zu 
irrationalen Reaktionen verleitet.
Man halte an den Flughäfen Ausschau nach Erkrankten, es gebe 
ausreichend Medikamente und die Krankenhäuser seien gerüstet, heißt 
es. Alles unter Kontrolle? Bei genauem Hinsehen tauchen 
Unwägbarkeiten auf: Die Mediziner kennen den genauen Charakter des 
Virus noch nicht, können also noch nicht sagen, ob der Erreger die 
mörderische Potenz der Spanischen Grippe von 1918/19 hat. Darüber 
hinaus weiß niemand, was passiert, wenn es im Zuge sich schnell 
verbreitender Infektionen an die Grundfesten unserer modernen 
Infrastruktur geht, wenn durch Personalausfälle nicht nur die 
Arzneimittellogistik, sondern jede Versorgung mit Gütern ins Stocken 
gerät, wenn Strom- und Wasserwerke Probleme bekommen und der Kern der
Therapieinfrastruktur, die Arztpraxen und Kliniken ausfallen.
Die Akteure der Gesellschaft sind höchst komplex miteinander 
vernetzt, wenn ein Baustein kippt, kann eine weit entfernte Struktur 
ins Wanken geraten. Es ist also unklar, in welchem Maße die 
Abwehrfront gegen die neue Grippeform in Deutschland steht. Zweifel 
sind angebracht. Zwar hat es Katastrophenübungen gegeben, und 
Grippemittel liegen in angeblich ausreichender Menge zur Therapie 
bereit. Doch wie gut alles ineinander greift, ist offen.
Das liegt auch an den unterschiedlichen Zuständigkeiten. Der Bund ist
involviert, doch das Sagen haben im Wesentlichen die Länder. 
Letztlich ausgeführt werden die Maßnahmen in den Kommunen. Probleme 
treten mutmaßlich vor allem "auf dem letzten Kilometer" auf. Kein 
Verantwortlicher auf Bundesebene kann heute sagen, ob die 
Notfallpläne dort richtig umgesetzt werden. Eine präventive Kontrolle
der Kompetenz existiert nicht. Weiß jeder Bürgermeister und jeder 
niedergelassene Arzt, was der Pandemieplan des Robert-Koch-Instituts 
an Maßnahmen vorsieht?
Die Pandemie ist noch nicht da. Wenn sie ausbleibt, sollte die 
Schweinegrippe doch ein Warnschuss sein. Die Vorsorge für den 
epidemiologischen Gau muss auf ein festeres Fundament gestellt 
werden.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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