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Berliner Morgenpost: Kommentar - Wenn Klein mit Hut wieder auf die Pauke haut

Berlin (ots)

Sie waren gut drauf gestern, die Herren Sommer und
Huber, Schmoldt und Bsirske, alle obenauf. Sie forderten: einen 
Schutzschirm für Arbeitsplätze, höhere Steuern für Besserverdiener 
und noch höhere für Manager, mehr Geld für Hartz-IV-Empfänger, mehr 
Kaufkraft, wunderbar wohlfeil, dazu Zwangsanleihen und umfassende 
Regulierung, bessere Bildung. Vielleicht auch mehr Koteletts für 
alle. Der Beifall war ordentlich, das Wetter schön, die Beteiligung 
an den gewerkschaftlichen Maikundgebungen gar nicht so übel, obwohl 
man angesichts des wirtschaftlichen Umfelds auch mehr hätte erwarten 
können, aber na ja.
Es gab jedenfalls schon deutlich schlechtere Jahre für den Deutschen 
Gewerkschaftsbund, resignative, selbstverzweifelnde. Jahre, in denen 
man am 1.Mai fast Mitleid hätte bekommen können, so sehr 
waren die Herrschaften aus der Mode gekommen. Relikte aus Karl-Heinz 
Köpckes "Tagesschau": Ernst Breit, Heinz Kluncker, Eugen Loderer, 
Oskar Vetter. Gewerkschaften, puuh, wie staubig, ganz die alte 
Bundesrepublik.
Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass mit dem Fall der Mauer 
alles, was auch nur ansatzweise rot schimmerte, ziemlich unten durch 
gerutscht war, kein Wunder auch nach den umfassenden 
Offenbarungseiden der osteuropäischen Genossen. Die gemeinsamen 
Wurzeln der Gewerkschaftsbewegung hier und der sozialistischen Eliten
da waren ja nicht so ganz zu leugnen. Also zweifelte leicht, wer 
nicht Überzeugungstäter war, und wendete sich dann gern auch ab von 
der jeweiligen Betriebsgruppe. Der latente Minderwertigkeitskomplex 
der organisierten Arbeitnehmervertreter der Nachwendezeit war 
insofern nur eine weitere Folge des Niedergangs des real 
existierenden Sozialismus.
Nun ist wieder alles anders. Wo Banken wanken, selbst die 
allerberühmtesten Unternehmen ins Straucheln kommen, Fiat Chrysler 
kaufen will und Opel vielleicht noch dazu, da fühlt sich eben noch 
ganz Klein mit Hut auf einmal ziemlich groß. Da wird auf die Pauke 
gehauen, als habe man aber auch rein gar nichts zu tun mit denen, die
gestern, zu Zeiten wirtschaftlicher Blüte im Nachhinein, schon das 
Geld ausgeben wollten, das heute dringend gebraucht wird. Ohne 
Gerhard Schröders gerade von den Gewerkschaften so bitter bekämpfte 
Agenda 2010 fiele es der großen Koalition jedenfalls deutlich 
schwerer, den wirtschaftlichen Absturz wenigstens einigermaßen zu 
dämpfen. Die Kassen der Arbeitsagentur, aus denen heute das 
Kurzarbeitergeld gezahlt wird, um so noch höhere Arbeitslosenzahlen 
zu vermeiden, wären ziemlich leer ohne die Sozialreformen der ersten 
Hälfte dieses Jahrzehnts.
Man muss das bei Maiansprachen nicht unbedingt erwähnen, hätten 
Kluncker und die anderen ja früher auch nicht gemacht. Man könnte es 
aber. Als Zeichen dafür, dass man auch was gelernt hat aus jenen 
Tagen, in denen man den Menschen ja nicht nur zu langweilig, sondern 
auch zu plump geworden war, zu undifferenziert und eindimensional. 
Das könnte nützlich sein, vielleicht nicht jetzt, in Zukunft aber 
allemal.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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