Berliner Morgenpost: Die Rente gehört nicht in den Wahlkampf - Kommentar
Berlin (ots)
Wenn es um die Höhe der Renten geht, schlagen die Emotionen schnell hoch. Jeder fühlt sich im Nachteil: Die heutigen Rentner, weil sie glauben, einen Anspruch auf immerwährend steigende Zahlungen zu haben. Und die künftigen Rentner, weil sie glauben, dass ihnen wegen der ungünstigen demografischen Entwicklung in Zukunft die Beitragszahler fehlen und sie gleichzeitig die heutigen Rentner päppeln müssen. Mit dieser Haltung blenden Beitragszahler wie Rentner wichtige Fakten aus. Und sie vergessen, dass sie eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Alte wie Junge müssen Fragen der Generationengerechtigkeit gemeinsam beantworten, beispielsweise die nach der Belastbarkeit der Rentenkasse und der Steuerzahler, aber auch nach der Kinderfreundlichkeit unserer Gesellschaft. Dass die Wahlkämpfer in Berlin dieses sensible Thema für ihre Zwecke nutzen, ist wenig hilfreich, während einer Wirtschaftskrise sogar fahrlässig. Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche eine Rentengarantie beschlossen, nach der in Zukunft keine Kürzungen mehr möglich sein sollen. In vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem wachsenden Heer aus wahlberechtigten Transferzahlungsempfängern hat Arbeitsminister Olaf Scholz diese Idee vor einigen Wochen eingebracht. Möglicherweise wäre eine solche Garantie aber gar nicht nötig gewesen, denn noch ist offen, ob die Lohnsumme, von der die Rentenhöhe abhängig ist, wirklich so stark sinken wird wie befürchtet. Bislang wissen wir nur, dass 700000 Beschäftigte zur Kurzarbeit angemeldet sind. Das sind nur etwa drei Prozent aller Beschäftigten - die übrigens weiterhin Rentenbeiträge zahlen. Doch selbst wenn es zu anhaltender Massenarbeitslosigkeit kommen sollte, müssen Nicht-Rentner wissen: Die in der vergangenen Woche beschlossene Rentengarantie sieht vor, dass die Rentner den Verzicht auf eine Minusrunde selbst zahlen werden, nämlich über häufigere Nullrunden in der Zukunft. Wer grundsätzlichere Fragen nach der Gerechtigkeit stellt, sollte sich Fakten wie diese vor Augen halten: Die Rentner profitieren zum 1. Juli wegen der Aussetzung des Riester-Faktors 2008 und 2009 und vor allem dank gestiegener Wirtschaftsleistung der heute arbeitenden Generation von der stärksten Rentenerhöhung seit zehn Jahren. Gleichzeitig werden ihre Bezüge zu mittlerweile 30 Prozent vom Steuerzahler gesichert - so hoch war die Quote noch nie. Die Beitragszahler auf der anderen Seite werden stärker denn je bei der privaten Vorsorge unterstützt. Sie erhalten staatliche Zuschüsse beim Riester-Sparen, bei der betrieblichen Vorsorge und Steuerrückzahlungen. Nie war es so leicht, die Rentenlücke zu schließen - auch dank gestiegenen Wohlstands. Selbst die Rente mit 67 ist fair und realistisch. Die Bevölkerung wird älter, weil die Umwelt gesünder, die medizinische Versorgung besser und Arbeitsplätze sauberer geworden sind. Bessere Lebensbedingungen aber sind nicht umsonst zu haben. Das einzige, was sich verschlechtert hat: Die Übersichtlichkeit und Transparenz des deutschen Rentensystems.
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