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Berliner Morgenpost: Eine Legende - zum Ruhme der Kanzlerin - Kommentar

Berlin (ots)

Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die ein Politiker
beherrschen muss, ist der Umgang mit Symbolen. Der 
vernunftgesteuerten Kanzlerin ist die Jonglage mit gefühlsbesetzten, 
bisweilen irrationalen Themen nicht ganz geheuer, spätestens seit ihr
im Wahlkampf 2005 um ein Haar alle Bälle entglitten wären. Das 
Steuermodell von Professor Kirchhof mochte richtige Ansätze bergen. 
Aber es mobilisierte beim Wähler einen seit Generationen 
vorherrschenden und nicht immer falschen Reflex: Der kleine Mann 
zahlt am Ende die Zeche.
Dieses Motiv zieht sich noch durch jeden Wahlkampf, erst recht, wenn 
der kalte Knöchel der Krise klopft. Eben deswegen hat sich Angela 
Merkel in den vergangenen Tagen und Nächten geradezu rührend um das 
US-Unternehmen Opel gekümmert. Eben deswegen versucht SPD-Chef Franz 
Müntefering den - möglicherweise sehr kostspieligen - Erfolg für 
seine Partei zu reklamieren. Der tapfere Neuminister Guttenberg wäre 
in diesem Kreuzfeuer um ein Haar über Bord gegangen. Er wird nun 
aufpassen müssen, im aufziehenden Wahlkampf nicht in die Rolle des 
Watschenmanns 2009 gedrängt zu werden. Recht haben allein, das zeigt 
der Fall Kirchhof, schützt jedenfalls nicht vor diesem Schicksal.
Dabei gibt es keinen vernünftigen Grund, sich derart teilnahmsvoll um
den Autobauer zu kümmern. Opel führt seine Gewinne nach Detroit ab, 
das Sagen haben Amerikaner, demnächst auch noch Österreicher und 
Russen. Aber der Opel-Blitz trifft die Deutschen noch immer ins Herz:
Kadett und Kapitän, Adam und GT - da werden Emotionen mobilisiert, 
die in fast jeder deutschen Familie seit Generationen verankert sind.
Latente USA-Skepsis, die nebenbei mitschwingt, hat auch noch nie 
geschadet.
Das Unternehmen symbolisiert ein komplexes Geflecht aus Finanz- und 
Strukturproblemen, aus Wertewandel und deutscher Dauerangst. Opel 
reduziert das globale Beben auf eine fassbare Frage: Gelingt der 
Politik die Rettung? Ist die Kanzlerin mächtig? Kümmert sie sich um 
den kleinen Mann? Kommen wir noch mal davon?
Dass eine Insolvenz womöglich die bessere Lösung sein könnte, ist in 
Zeiten der reduzierten Argumente nicht vermittelbar.
In Wirklichkeit ist Opel eine wunderbare Bühne für eine 
Regierungschefin, der seit je ein emotionales Defizit attestiert 
wird. Für Belegschaft, Investoren und Steuerzahler bringt die 
Schlacht um Opel bestenfalls einen Kollateralnutzen. In erster Linie 
zielten die Verhandlungen im Kanzleramt darauf ab, die Chefin zur 
Siegerin der Herzen zu machen. Koste es, was es wolle, am Ende sollte
zumindest in den Köpfen der Betrachter das zehntausendfache "Angie! 
Angie!" der Werktätigen von Rüsselsheim bis Eisenach schallen. Als 
Untermalung streuten Merkels Einflüsterer flugs die Story vom 
nächtlichen Telefonat der Kanzlerin mit Barack Obama unters Volk - 
und schon ist die Legende perfekt. Für die Opelaner bleibt zu hoffen,
dass sie länger trägt als zu Schröders Zeiten diejenige von der 
Rettung des Holzmann-Konzerns.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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