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Berliner Morgenpost: Die Internet-Sperre, ein Feigenblatt

Berlin (ots)

Das ist ja gar keine Frage. Wer sich im Internet
bewegt, dieser wunderbaren Fundgrube der Menschheit, der stößt früher
oder später auch auf jede Menge Dreck. Seiten, bei denen einem die 
Suppe wieder hochkommt, Bilder, die man überhaupt nicht sehen will, 
Spiele, bei denen man sich die Frage stellt, wer an so einem Mist 
Freude haben kann. Im World Wide Web treffen sich Nazis und 
Kinderschänder und im Zweifel auch noch die Kannibalen. Es ist die 
Pest. Und es ist wie im richtigen Leben. All diese Widerwärtigkeiten 
gibt es auf dieser Erde, einiges, vieles, ganz real, anderes Gott sei
Dank auch nur in den Köpfen von Menschen, aber das macht es ja auch 
nicht so viel besser.
Müssen wir also, weil das so ist, und weil wir uns, unsere Kinder vor
dem digitalen Müll schützen wollen, Teile des Internets abschalten, 
Inhalte zensieren, den Zugang erschweren, eine Art Internet-Polizei 
schaffen, die alles mögliche durchforsten und zur Anzeige bringen 
kann?. Eine Internet-Staatsanwaltschaft, die im Zweifel Anklage 
erhebt und ein Internet-Gericht, das Urteile fällt und Seiten sperrt 
und die Nutzer bestimmter Server hinter Gitter bringt? Denkbar ist 
das alles. Justiz 2.0, das wäre ein gigantischer, zwangsläufig 
international operierender Apparat, der den Internet-Tätern auf die 
Spur kommen soll. Eine Art World-Wide-Zensurbehörde unter Obhut der, 
sagen wir mal, Uno 2.0 in der dann, beispielsweise, China ein 
Vetorecht hätte.
Soweit ist es nicht. Zunächst einmal hat der Bundestag gestern ein 
Internet-Stoppschild für Webseiten mit kinderpornografischem Inhalt 
beschlossen. Das ist, nach allem was man weiß, gut gemeint, aber 
ziemlich leicht auszutricksen. Ein Feigenblatt, das kein einziges 
Kind vor diesem fiesen Schicksal bewahren wird. Und das natürlich 
keinen, der solch eine Schweinerei nötig hat, daran hindern wird, 
seinem Geschäft weiterhin nachzugehen. Dazu bedarf es der realen 
Polizei, der realen Justiz und sehr realer globaler Zusammenarbeit in
der Welt, 1.0 natürlich.
Was wir brauchen ist kein mehr oder weniger zuverlässiges Stoppschild
auf dem Monitor, sondern eine aggressive nationale wie internationale
Ächtung und strafrechtliche Verfolgung jeglichen Versuchs, Kinder für
was auch immer zu missbrauchen. Das gilt für Kinderpornografie im 
Internet, aber auch für Kinderarbeit, für häusliche Gewalt gegen 
Kinder, für übelste Vernachlässigung von Kindern oder auch, nur als 
Beispiel, für die immer häufigeren Versuche, Kinder mitten in der 
Stadt als Hilfsbettler einzusetzen. Gibt es alles. Auch hier. Kann 
man was gegen tun. Los.
Noch eins. Die gestern beschlossene Internet-Sperre mag wenig 
effizient sein, als Menetekel für den Untergang der 
Informationsfreiheit aber taugt sie auch nicht. Die Vermutung, einmal
geschaffen, könne ein solches Instrument mirnichts dirnichts auch 
gegen beliebige andere Inhalte der Internet-Gemeinde eingesetzt 
werden, unterschätzt Mittel und Möglichkeiten eines demokratischen 
Rechtsstaats, aber auch die gewachsene Widerstandsbereitschaft der 
Deutschen gegen Angriffe auf die Freiheitsrechte.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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