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Berliner Morgenpost: Über Schwarz-Grün und andere bürgerliche Bündnisse

Berlin (ots)

Sagen wir mal so: Die Wahrscheinlichkeit, dass
Deutschland am Ende dieses Jahres von einer schwarz-grünen Koalition 
regiert wird, ist in etwa so groß wie die, dass Klaus Wowereit zur 
selben Zeit sein Amt als Regierender aufgibt, um in der Toskana 
Tulpen zu züchten. Soweit ist das Land noch immer nicht, auch wenn 
sich Union und Grüne in Hamburg schon ziemlich gut ineinander fügen. 
Man ist da an der Elbe ein ganzes Stück weiter. Aber selbst dort hat 
es ein stattliches Jahrzehnt gebraucht vom ersten Schnuppern zwischen
Ole von Beust und der grünen Realpolitikerin Krista Sager bis zur 
Stunde der Wahrheit vor gut einem Jahr.
Andererseits verkaufen sich Koalitionsspekulationen in Wahljahren 
natürlich besonders gut, und deshalb ist auch die offizielle 
Aufforderung diverser Unionsgranden, die Spekulation über ein 
schwarz-grünes Bündnis zu beenden, nicht wirklich ernst zu nehmen. 
Wenn es nutzt und der Union am Ende ein paar jüngere bürgerliche 
Wähler zutreiben könnte, wird das noch ein Weilchen so weitergehen 
mit gut verteilten Rollen. Schäuble, auch der wunderbar smarte Herr 
Guttenberg, demnächst vielleicht noch von Beust selbst spähen genau 
in den Revieren, aus denen der in der Tendenz immer noch steinalten 
Unionswählerschaft ein paar Frischzellen zugeführt werden könnten. 
Ein paar andere, vorweg der Schwabe Oettinger, der sich weiterhin 
auch als Gralshüter der guten, alten Union profiliere möchte, weisen 
derlei "Unfug" weit von sich. Man kennt das.
Noch mal andererseits. Es stimmt doch: Zumindest ein Teil der grünen 
Wählerschaft, auch der grünen Parteibasis, entstammt dem unionsnahen 
Lager, zumindest ist man blutsverwandt und die Zeiten der Revolte 
sind ja auch einigermaßen vorbei. Die Union, das sei mal 
prognostiziert, würde sich in einem Bündnis mit den Grünen deutlich 
wohler fühlen als in einer Neuauflage der großen Koalition, deren 
Mindesthaltbarkeitsdatum lange vor Ende der kommenden 
Legislaturperiode abgelaufen sein wird. Doch selbst ein 
schwarz-gelbes Bündnis, das dem politischen Sehnen ja erklärtermaßen 
ein Ende setzen soll, wäre ja nicht ohne Tücke. Jugendlich, frisch 
würde das Ganze auf Dauer jedenfalls nicht wirken, eher wie eine 
Wiederholung aus den 80er- und 90er-Jahren; auch hätten die 
Beteiligten erhebliche Mühe, sich voneinander abzugrenzen. So etwas 
kann sehr anstrengend werden. Um im Bild zu bleiben: Es gibt Zeiten 
im Leben, in denen fährt man lieber zu den Enkeln als zu den 
Geschwistern. Aber dazu muss man sich natürlich erst mal so richtig 
auf den Nerv gegangen sein. Bleibt, um nicht im Wolkenkuckucksheim zu
verharren, die Frage aller Fragen: Wenn es für Schwarz-Gelb nicht 
reichen sollte in diesem Herbst - sollte sich die bürgerliche 
Großfamilie dann womöglich doch mal an einen Tisch setzen? Nicht, 
weil Jamaika so ein schönes Land ist, sondern weil man der Demokratie
vier weitere Jahre großer Koalition ersparen wollte. Darüber sollten 
sich die Beteiligten prophylaktisch schon mal Gedanken machen. Man 
muss ja nicht so laut drüber reden.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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