Berliner Morgenpost: Berliner Morgenpost zum Tod der drei deutschen Soldaten bei Kundus
Berlin (ots)
Wir bauen hier im Moment keine Brücken und bohren keine Brunnen. Herr Wehrbeauftragter, wir befinden uns hier im Krieg!" Mit diesen Sätzen, einem Hilfeschrei gleich, versuchten Soldaten der Bundeswehr den Blick des Wehrbeauftragten auf die Realitäten am Hindukusch zu schärfen und mehr Verständnis für ihren gefährlichen Auftrag zu wecken. Denn noch immer neigt die Politik dazu, den Auftrag der Bundeswehr in Afghanistan eher mit dem für das Technische Hilfswerk zu vergleichen als von einem Kampfauftrag mit allen Risiken für Leib und Leben der Soldaten zu sprechen. Wie recht diese haben, hat sich gestern gezeigt: Drei deutsche Soldaten sind nach einem längeren Feuergefecht mit Taliban-Kämpfern gefallen. Längst ist der Norden Afghanistans, in dem die Bundeswehr Sicherheit und Wiederaufbau gewährleisten soll, nicht mehr die vermeintlich ruhige Region. Die Taliban haben ihre Taktik geändert, beschränken sich nicht länger auf Überfälle, sondern lassen sich gezielt auf längere Feuergefechte ein. Dass sich die Lage auch im Norden dramatisch verschärft hat, liegt vor allem an drei Gründen: Aus dem Süden rücken vor den US-Streitkräften flüchtende Taliban-Krieger vor, über die unkontrollierbare 2500 Kilometer lange Grenze zu Pakistan sickern immer mehr Gotteskrieger ein, und drittens wissen die Taliban-Strategen im Hintergrund sehr wohl um die öffentliche Wirkung in Deutschland, wenn - wie gestern - Soldaten der Bundeswehr im Verlaufe eines Gefechts getötet werden. Angesichts dieser Lage weiter von einem "Stabilisierungseinsatz" der Bundeswehr in Afghanistan zu sprechen, wie es Verteidigungsminister Jung tut, stößt bei immer mehr Soldaten auf Unverständnis. Zu Recht, weil er der Realität längst nicht mehr gerecht wird. Immerhin hat sich der Minister auch gestern wieder dazu durchgerungen, nicht von getöteten, sondern - wie militärisch üblich - von "gefallenen" Soldaten zu sprechen. Das Wort "Krieg" mag aber auch er noch nicht gebrauchen. Es würde die zunehmend pazifizierte Gesellschaft wohl zu sehr aufschrecken und die Kritik am Einsatz am Hindukusch weiter anheizen. Und wenn Außenminister Steinmeier von den afghanischen Behörden verlangt, die Täter von gestern zur Verantwortung zu ziehen, zeugt dies ebenso von einer Realitätsverweigerung. In Afghanistan herrschen zumindest wieder kriegsähnliche Zustände. Angesichts dessen zu fordern, feindliche Kämpfer juristisch zu verfolgen, ist ziemlich naiv und dürfte das schlechte Gefühl vieler Soldaten verstärken, zu Hause sei man an ihrem Kampfeinsatz herzlich wenig interessiert. Ein Abzug der deutschen Soldaten würde Afghanistan erneut zum Zentrum des internationalen Terrorismus machen. Klar ist aber auch, dass mit Soldaten allein das Land nicht befriedet wird. "Ein Vogel mit einem Flügel fliegt nicht", sagen die Afghanen. Soldaten müssen für die Sicherheit im Lande sorgen, parallel dazu Entwicklungshelfer das Land aufbauen. Solange dieser international vernetzte Ansatz nicht entschlossener als bislang durchgesetzt wird, wächst das Risiko auch für die deutschen Soldaten.
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