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Berliner Morgenpost: Saufen muss endlich uncool werden - Leitartikel

Berlin (ots)

Drei Jahre und fünf Monate Gefängnis für einen
Gastwirt, der mit einem 16-Jährigen ein tödliches Wetttrinken mit 
Tequila veranstaltete und permanent gegen das Jugendschutzgesetz 
verstieß. Es ist eine milde Strafe, immerhin ist ein Jugendlicher 
sinnlos zu Tode gekommen. Aber viele hatten noch eine weitaus 
geringere erwartet.
Nicht zuletzt, weil dieser Fall ein Novum in der deutschen 
Justizgeschichte ist. Und weil das spätere Opfer ja selber dieses 
Wetttrinken angezettelt hatte. So gab es während des Prozesses - 
sogar vonseiten der Staatsanwaltschaft und der Richter - immer wieder
auch die Einschätzung, es handele sich um einen tragischen 
Unglücksfall.
Das war es nicht. Der Prozess hat ergeben: Der Gastwirt wusste ganz 
genau, was er tat, als er mit dem zehn Jahre jüngeren Gymnasiasten um
die Wette trank und ihn dabei auch noch prellte, indem er sich selber
Wasser einschenken ließ. Er hatte sicher nicht mit dem Tod des 
Jugendlichen gerechnet, aber sehr wohl damit, dass sein Widersacher 
zusammenbrechen würde.
Es war auch keineswegs ein zufälliges Trinkgelage, es war nicht 
einmal das erste Wetttrinken unter der Ägide des Angeklagten. 
Alkoholausschank an Jugendliche war üblich in der Kneipe "Eye. T" und
für den Wirt die vermeintlich zündende Geschäftsidee. Für viele 
Jugendliche, darunter nicht wenige 14- und 15-Jährige, war das auch 
der einzige Grund, sich ausgerechnet in jener Kneipe mit 
Altersgefährten zu treffen. Dafür nahmen sie sogar weite Anfahrtswege
in Kauf.
Der Tod des Gymnasiasten hat für Diskussionen gesorgt. Spürbare 
Verbesserungen indes scheint es noch nicht zu geben. Saufen ist bei 
vielen jungen Leuten weiterhin trendy. Drakonische Verbote, die von 
Politikern als Reaktion auf den Tod des Gymnasiasten reflexartig 
vorgetragen wurden, helfen da wenig. Jugendliche können sich in 
Geschäften auch über ältere Freunde Alkohol besorgen - und tun das 
auch. Allein im Mai dieses Jahres hat die Berliner Polizei fast 200 
schwer betrunkene Kinder und Jugendliche in Hausfluren und von 
Straßen und Plätzen aufgelesen. Das ist eine erschreckende Zahl, die 
vielleicht aber auch zeigt, dass die Berliner sensibler geworden 
sind. Wenn ein regloser, nach Alkohol riechender Jugendlicher auf 
einer Parkbank liegt, wird jetzt von vielen nicht mehr weggeschaut, 
sondern die Polizei informiert.
Auch sonst hat sich in der Stadt einiges getan: Jugendämter, 
Ordnungsämter und Polizei organisieren inzwischen gemeinsame Streifen
und kontrollieren konsequenter Gaststätten und Diskotheken. Auch die 
Prävention in Schulen, Sportvereinen und Jugendklubs wurde verstärkt.
Den wichtigsten Einfluss jedoch haben die Eltern. Von ihnen muss 
vorgelebt werden, wie mit der Modedroge Alkohol vernünftig umgegangen
werden kann. Die Berliner SPD-Politikerin Sandra Scheeres hat das auf
den Punkt gebracht. Sie sagt: "Es muss sich bei den Kindern und 
Jugendlichen die Meinung bilden, dass es uncool ist, sich übergeben 
zu müssen, nur noch zu lallen oder benommen auf der Straße zu 
liegen."

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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