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Berliner Morgenpost: Große Koalition hat das Land nach links gerückt

Berlin (ots)

Die Erwartungen an die große Koalition waren groß.
Zu groß, wie sich am Ende dieser 16. Legislaturperiode herausstellt. 
Gescheitert sind CDU, CSU und SPD vor allem mit zwei zentralen 
Herausforderungen: Sie wollten die Staatsfinanzen sanieren mit dem 
Ziel, ab 2011 wieder ausgeglichene Haushalte zu verabschieden. 
Zweitens sollten die sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest 
reformiert werden. Am Ende der Regierungsarbeit von Christ- und 
Sozialdemokraten ist die Verschuldung so hoch wie nie, die 
Finanzgrundlagen der dynamischen Rente, des solidarischen 
Gesundheitswesen und der Pflegeversicherung so ungewiss wie eh und 
je. Natürlich hat die globale Finanzkrise einen dicken Strich durch 
die Planung der Regierung gemacht. Aber das Scheitern in zentralen 
Problembereichen ist nicht allein auf diese äußeren Widrigkeiten 
zurückzuführen. In wichtigen Fragen sind die Koalitionäre 
kompromisslos zerstritten; zudem sind auch sie viel zu spendabel mit 
den jahrelang rekordverdächtig sprudelnden Steuereinnahmen 
umgegangen. So fehlte das Polster, als die Finanzkrise hereinbrach.
Eines kann man der großen Koalition allerdings nicht vorhalten: Sie 
sei nicht fleißig gewesen. Mehr als 580 Gesetze hat der Bundestag in 
den vergangenen vier Jahren verabschiedet. So viel wie noch nie in 
einer Legislaturperiode, die meisten auf Initiative der Regierung. 
Die inhaltliche Bilanz dieser Gesetzesflut: Die Republik ist 
politisch weiter nach links gerückt. Weil Angela Merkel des lieben 
Koalitionsfriedens wegen der SPD in vielen Fragen weiter 
entgegengekommen ist, als es die CDU- Programmatik eigentlich 
erlaubt: Breiter Einstieg in den Mindestlohn, Begrenzung von 
Managergehältern, staatliche Konjunkturprogramme samt Abwrackprämie, 
selbst die Option Verstaatlichung hat die Kanzlerin der Partei der 
sozialen Marktwirtschaft nicht geschreckt. Diese programmatische 
Flexibilität hat Merkels eigene Partei mehr verstört als die Wähler. 
Der SPD andererseits hat der von ihr ertrotzte Linksruck nicht 
geholfen.
Angela Merkel hat aus der fast verloren gegangenen Wahl 2005 die 
Konsequenz gezogen, dass mit orthodoxer CDU-Programmatik in einer 
Gesellschaft, in der die Volksparteien nicht mehr auf ihre 
angestammten Milieus bauen können, keine Mehrheiten mehr zu erzielen 
sind, um erstens Kanzlerin zu bleiben und zweitens ein Bündnis mit 
der FDP zu erreichen. Ob diese Strategie trägt, wird sich am 
Wahlabend zeigen.
Bei allen Mängeln kann sich die große Koalition zu Gute halten, dass 
sie bislang das Land im internationalen Vergleich recht souverän 
durch die Finanz- und Wirtschaftskrise führt. Wer daraus allerdings 
ein Plädoyer für die Fortsetzung des schwarz-roten Bündnisses 
ableitet, droht einem großen Trugschluss aufzusitzen. Die SPD würde 
nicht noch einmal vier Jahre als Juniorpartner in einer großen 
Koalition ausharren. Spätestens zur Halbzeit würde sie den Bruch 
provozieren, um als Kanzlerpartei mit den Tiefroten und den Grünen 
weiter zu regieren. Absurd? Eine Blaupause dafür hat Klaus Wowereit 
schon vor acht Jahren in Berlin abgeliefert.

Pressekontakt:

Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de

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